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d a s G a n z e v o r d e n T e i l e n i s t . Die dichterische Intuition der Ge-

stalten eines Siegfried und Hagen mit ihren Taten, mit ihren Worten als Ge-

sängen, Strophen und Sätzen — diese Intuition ist vor den Teilen. Diese Intuition

(Ganzheit) könnte aber niemals erscheinen, wenn sie nicht in den Teilen Glied-

lichkeit annähme. Erst wenn das große Grunderlebnis des lichten tragischen

Helden da ist, erst wenn diese Gestalt in Siegfried und in allen Gegen- und

Nebengestalten eines Hagen, einer Brünnhilde und den vielen anderen, Form,

Gliedlichkeit erlangt; erst wenn diese Form sich in Handlungen, Gesängen,

Strophen, Tönen usw. untergliedert — erst dann ist das Nibelungenlied da. Kurz

gesagt: wenn die Idee, das Ganze erlebt, angeschaut und in Gestalten ausgeglie-

dert ist, d a n n e r s t i s t a u c h d a s G a n z e d a ! — in diesen einzelnen

Gliedern! Ursächlich erzeugt wurde dabei gar nichts, denn Ausgliederung, sich

Darstellen des Ganzen in den Teilen ist ein sinnvoller, kein materieller Vorgang,

ähnlich wie ja auch beim logischen Schlußfolgern aus Vordersätzen nichts ursäch-

lich erzeugt wird, sondern nur die sinnvolle Auseinanderlegung der Vordersätze

durchgeführt wird.

Weil das Ganze vor dem Teile ist, kann man auch nicht sagen, daß die Teile

vor dem Ganzen schon dagewesen wären, zum Beispiel im Nibelungenlied als

Laute, Silben und Buchstaben. Zwar sind Laute und Buchstaben vorher da: aber

nicht als Teile des Liedes, denn das Lied hat überhaupt keine Buchstaben zu

Teilen, sondern gliedert sich nur m i t t e l s des Lautmaterials der Buchstaben

aus. Die Laute sind zwar schon da — aber wieder nur in anderen Zusammenhän-

gen, als Glieder einer anderen Ganzheit, der Sprache. Wenn man aber geltend

machte, daß Laute irgendwo doch „erzeugt“ werden müssen, um für das Nibe-

lungenlied als Material zur Verfügung zu sein, so ist zu erwidern, daß es keines-

falls die A u s g l i e d e r u n g des Liedes in seine ihm arteigenen Glieder ist,

wo jene „Erzeugung“ (in ursächlich-materieller Art) stattfindet; sondern es sind

g a n z a n d e r e , es sind a u ß e r h a l b der Ganzheit „Lied“ sich vollziehende

Vorgänge, zum Beispiel in der Bewegung der Stimmbänder, in den Schwingungen

der Harfensaiten usw., wo jene Erzeugung stattfindet. — Ähnlich gliedert sich

ja ein gemaltes Bild nicht in Leinwand, Rahmen, Farbstoffen aus, sondern diese

Dinge dienen nur als Voraussetzungen, Unterlagen, Material für die Ausgliede-

rung des Bildes, zum Beispiel für die gemalten Helden Siegfried und Hagen. Wenn

sich das Kunstwerk „Gemälde“ in Teile ausgliedert, findet keine ursächliche „Er-

zeugung“ der Farbstoffe durch das Ganze statt, sondern eine Ausgliederung,

die in der „Komposition“ der Farbenempfindungen (nicht der Farbstoffe!), in der

„Komposition“ der Gestalten, im sinnvollen / Sichdarstellen der Idee des

Kunstwerkes, gleichsam mühelos und stofflos, liegt; erzeugende und materielle

Vorgänge liegen a u ß e r h a l b d e r G a n z h e i t , nämlich in der techni-

schen Farben- und Leinwandhervorbringung. Kurz gesagt, die G l i e d e r des

Gemäldes sind Gestalten und nichts anderes; das M a t e r i a l , vermittels des-

sen die Glieder verwirklicht werden, sind Leinwand und Farbstoffe. Die Ganz-

heit stellt sich in Gliedern dar (der Maler erschaut die Gestalten); aber sie er-

zeugt nicht Leinwand noch Farbstoff (der Farbenreiber erzeugt Farbstoffe).

Ebenso steht es bei allen anderen Ganzheiten. Die Ganzheit „Haus“ gliedert

sich in „Zimmer“, „Haupt- und Nebenräume“ und so fort aus; und dieses

Sichausgliedern ist kein stoffliches noch ursächliches Erzeugen. Das H a u s

b e s t e h t e b e n n i c h t a u s Z i e g e l s t e i n e n , s o n d e r n a u s Z i m -

m e r n ! Ob das Material für die Zimmer Ziegelstein, Holz, Eisen, Beton und

so fort ist, betrifft die technischen Voraussetzungen des Hauses, d u r c h welche