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auf welchem Gebiet immer sagt, daß die Teile vom Ganzen be-

stimmt werden und damit das Ganze früher sei als der Teil, schließt

naturalistische Ursächlichkeit aus.

Wenn man bedenkt, wie sehr heutzutage selbst die Theologen,

seien sie protestantisch oder katholisch, auf so vielen Gebieten, ge-

rade auch auf wirtschaftlichem und politischem, dem Satz: „Der

Teil ist früher als das Ganze“, folgen; wenn man bedenkt, wie viele

völkische Politiker und vaterländisch gesinnte Staatsmänner dem

individualistischen Liberalismus (der Demokratie) und dem atomi-

stischen Zukunftskommunismus, mithin dem Satz: „Der Teil ist

früher als das Ganze“, folgen; wenn man bedenkt, wie viele Rechts-

lehrer und Prediger der Gerechtigkeit heute dem Rechtspsycholo-

gismus und Rechtsatomismus, mithin dem Satz: „Der Teil ist früher

als das Ganze“, folgen; wenn man bedenkt, wie viele Biologen

heute noch der mechanistischen Auffassung, mithin dem Satz: „Der

Teil ist früher als das Ganze“, folgen; wenn man bedenkt, wie fast

alle Physiker und Chemiker der atomistischen Ansicht, mithin sie

alle dem Satz folgen: „Der Teil ist früher als das Ganze“

1

— dann,

und nur dann allein kann man ermessen, welches unsagbare Unglück

über eine Zeit kommen mußte, die Lebensleugnung, Wahrheits-

leugnung, Geistesleugnung, Gottesleugnung auf die Fahne ihres

Wissens schreibt! Dann allein aber auch kann man erkennen, welche

Umkehr des Geistes unserem Zeitalter nötig ist, um wieder in die

Bahn geistiger Kultur und innerer Gesinnung zu gelangen.

/

III. Gegen die Versuche, ein Mittleres zwischen den beiden Sätzen:

„Das Ganze ist früher als der Teil“ und „Der Teil ist früher als

das Ganze“, aufzustellen

Am liebsten möchte man diese Versuche kurzweg als schwächlich,

als faulen Zauber, Bequemlichkeit oder Mattherzigkeit abtun und

nichts mit ihnen zu schaffen haben. In einer Zeit der Verzweiflung

und Gärung aber, wie der heutigen, entspringen sie auch bei tüchti-

gen Köpfen oft dem noch nicht überwundenen Übergangszustand

1

Die einzige Ausnahme dürften gegenwärtig (1923) die Mach-Schüler Jau-

mann und Lohr in Brünn machen, welche in ihrer „Kontinuitätstheorie“ eine

ungleich lebendigere Auffassung, als der Atomismus sie darstellt, vertreten.