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nunft (und in diesem Sinne als die Potenz, das Vermögen des Tuns) ungebrochen

bestehen bleibt, gleichsam bei sich selbst zurückbleibt, genau wie der aussprechende

Gedanke gegenüber dem Worte. Demnach ergibt sich: das Wirkende geht im

Gewirkten nicht unter; der / Gedanke geht im gesprochenen Wort nicht

unter; das Mitteilende geht im Mitgeteilten nicht unter.

(2) A n d e r e B e i s p i e l e . Denselben Sachverhalt zeigt der lebendige Or-

ganismus. „Lebendig“ ist er eben deswegen, weil das Leben im organischen

Lebensakt sich nicht erschöpft. Das Herz hört nicht dadurch auf, Herz zu sein,

das heißt weiter zu schlagen, daß es Pulsschläge ausgeführt hat; der Muskel

hört nicht dadurch auf, Muskel zu sein, daß er Kontraktionen durchführte; der

motorische Nerv nicht dadurch auf, Nerv zu sein, daß er innervierte, und so fort.

Freilich steht die Sache hier nicht so einfach und klar wie bei dem Gedanken

und seinem Worte, da „Übung“, „Ermüdung“, „Ernährung“ und noch andere

hauptsächlich auf dem arteigenen Zusammenspiel der Organe beruhende Ver-

wicklungen und Vermittlungen hinzukommen. Aber der grundsätzliche Tatbe-

stand, daß das Glied sich in seiner Leistung nicht erschöpft, in ihr nicht unter-

geht, ist auch hier unzweifelhaft klar, denn ohne diese Urtatsache gäbe es kein

Leben; er ist es schon dadurch, daß man das Untergehen der Glieder in ihrer

Leistung das Aufhören des Lebens oder Tod nennt. Wo das G a n z e i m

T e i l e u n t e r g e h t , t r i t t T o d e i n — ein Aufhören der Ganzheit! Auch

dieser Tod ist allerdings kein absoluter, weil andere, früher geruht habende

Gliedlichkeiten nun aktuiert werden, hier die chemisch-physikalischen des Leibes;

wie sich ja auch zeigte, daß zum Beispiel die aus ihrem Ganzheitszusammenhange

gerissene Maschine in den Ganzheitszusammenhang „Alteisen“ zurückfällt oder

etwa beim Tode des Staates Österreich-Ungarn das Staatsleben der Bewohner

dieses ehemaligen Staates sich zwar änderte, aber nicht aufhörte.

Was dann die Entwicklung des organischen Keimes betrifft, so ist es nicht

eigentlich der Fall, daß der Same im Baume „untergeht“, wie man zu sagen pflegt.

Zwar verliert sich der Same im Baume, a b e r n i c h t j e n e G a n z h e i t ,

d i e i m S a m e n w a r — dieselbe Ganzheit ist nun in weiter gebildeter, ent-

falteter Form im Baume. Dieselbe Ganzheit, die im Samen war, liegt auch dem

Baum zugrunde, weder in der ersten Form der Darstellung des Ganzen noch in

der letzteren ging die Ganzheit unter, sie b l e i b t a m G r u n d e b e i d e r

b e s t e h e n .

Könnte dagegen die von den Mechanisten so viel beredete „Fortpflanzung der

Bewegung durch Stoß“ das Untergehen des Schöpfers im Geschöpf verdeutlichen?

Denn hier scheint ja die Bewegung der ersten Billardkugel auf die zweite, auf

welche sie stößt, übertragen, abgegeben zu sein. Man muß aber, um die wahre

Bedeutung dieses Falles zu verstehen, bedenken: daß der ganze Vorgang des

Stoßes im G r a v i t a t i o n s s y s t e m (im „Feld“) vor sich geht. Außerhalb

dieses Systems könnten / die Kugeln einander gar nicht stoßen! Das Gravita-

tionssystem geht aber im Stoß seiner Kugeln nicht unter.

Weiterhin können wir alle Beispiele durchgehen, die oben bei Satz 1

1

vor-

geführt wurden. Es mögen aber folgende genügen:

Wird der S t a a t als die umfassende Organisation geistig-sittlicher Inhalte

des Lebens gefaßt, so geht die organisatorisch-ausgliedernde Fähigkeit in den

einzelnen Organisierungshandlungen nicht unter. (Legt man einen anderen Staats-

begriff zugrunde, so wird sich auf andere Weise dasselbe zeigen.)

1

Siehe S. 63 f.