Table of Contents Table of Contents
Previous Page  3955 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 3955 / 9133 Next Page
Page Background

[85/86]

83

So geht es in der ganzen G e s e l l s c h a f t . Es ist eine Aufgabe der

Gesellschaftslehre, die Inhalte der Gesellschaft auf ihre logische Priorität hin zu

erkennen. Da ergeben sich Sätze wie: „Religiosität (das Metaphysische des

Geistes) geht vor Volkstum“; „aber Religiosität will sich in Volkstum verwandeln“;

„Volkstum geht vor Staat“; aber Volkstum will sich in Staat verwandeln, das

heißt Religiosität, Volkstum ist hier das setzende Prius, das aber in seinen

nachgeordneten Ausgliederungen nicht untergeht. — In der W i r t s c h a f t , die

ein System von Mitteln für Ziele ist, gehen die Ziele vor den Mitteln (den

Vorzielen), sie sind das setzende Prius, das im gesetzten System der Mittel nicht

untergeht. Die Ziele bleiben bestehen und setzen die Wirtschaft immer wieder

aufs neue — sie bleiben bei sich selbst, sie fließen nicht aus, sie versteinern nicht

in den Mitteln, ihren Teilen.

Ein anderes Beispiel bildet der Vordersatz gegenüber den nachfolgenden

Gliedern einer Schlußkette. Die Glieder der ganzen Kette sind selbständig, aber

sie ruhen am Grund der Prämisse, ohne die sie sofort „sinnlos“ werden, also auf-

hören zu sein. Der Vordersatz ist in allen Gliedern der Schlußkette enthalten,

und doch geht er in ihnen nicht unter. Der Vordersatz verhält sich in diesem

Sinn als fortwirkender Schöpfergrund.

Überall zeigt sich der grundsätzliche Tatbestand: das Ganze geht

in den Gliedern nicht unter. Dieser Satz erklärt auch erst völlig das

Bild, das alles Denken und Leben zeigt, daß nämlich die Tätigkeit

sich nicht in ihrer Tat f i x i e r e , sondern sich stets aufs neue

setze, die Tat stets wiederhole, im Organismus zum Beispiel den

Stoffwechsel, im Geist das Denken und Handeln.

Zusatz über Dasein und Vorsein

Daß das Ganze in den Gliedern nicht untergeht, diese Wahrheit erklärt end-

lich auch erst völlig den früheren Satz: das Ganze als s o l c h e s hat kein Da-

sein. Beide Sätze ergänzen einander und führen zu einer wichtigen o n t o l o -

g i s c h e n F o l g e r u n g .

/

Das Sein des ausgegliederten Ganzen oder D a s e i n ist ein anderes als das

Sein des Ganzen an sich, des nichtausgegliederten, in den Gliedern sich nicht

verformenden Ganzen, welches nicht aktual ist, also im V o r s e i n bleibt. So

ergibt sich r e i n a n a l y t i s c h der Unterschied von diesseitigem Sein oder

Dasein und jenseitigem, transzendentem Sein oder Vorsein. Beide, das dies-

seitige wie das jenseitige Sein gehören demnach der E r f a h r u n g an, wenn

auch nur das erstere der sinnlichen Erfahrung. Das bewies unsere Analysis der

Ganzheiten, die streng im Rahmen der Erfahrung blieb

1

.

Daß die im Vorsein verbleibende Wurzel der Ganzheit nicht in die Seins-

ebene des Ausgegliederten übergeht, ist wieder ein Beweis dafür, daß der richtig

verstandene Ganzheitsbegriff nicht zur Vermischung des ausgliedernden, schaf-

fenden und des ausgegliederten, geschaffenen Seins führen könne, daher auch

1

Weiteres darüber siehe unten § 22

,

III, S. 220 ff. und öfter.

6

*