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einander und können daher wieder nur als Ganzes auftreten. —
Einige Beispiele mögen dies noch erläutern.
D e r L e i s t u n g eines Eisendrehers entsprechen die Leistungen von Dreh-
bänken („auf einen Dreher kommen x Drehbänke“), der Leistung eines Artille-
risten jene von
y
Fußsoldaten („auf eine Division kommen n Gewehre, y Ge-
schütze“). — Der R a n g als Ausdruck der Ganzheitsnähe sucht in einem Gegen-
rang seine Entsprechung, zum Beispiel der König im Papst; die Religion im
Sittlichen; das Volkstum im Staat; im übrigen fällt der Rang mit Stufenbau
zusammen, zum Beispiel indem dem Hauptmann nach unten Feldwebel und
Soldaten, nach oben Oberst und General entsprechen. Ferner entsprechen einem
Dichter viele Schauspielhäuser, einem Schauspielhause viele Schauspieler, wenigen
Schauspielern viele Zuhörer. — S t u f e n m ä ß i g entsprechen dem König die
Minister, dem Minister die Behörden und von diesen herab schließlich zu allen
Bürgern. — Der F r e i h e i t (Eigenmacht) des Königs entspricht die bestimmte
Freiheit der Stände, der Gerichte, der Einzelnen.
Im Organismus entsprechen zum Beispiel den langen Hinterbeinen des Hasen
die kurzen Vorderbeine. Diese Entsprechung ist aber nicht rein quantitativ und
formal-geometrisch zu nehmen, sondern nun werden auch die L e i s t u n g e n
aller inneren Organe dieses Körpers auf die Dotierung einer solchen Einrichtung
der Laufwerkzeuge abgestimmt, das heißt: / ein auf schnell springenden Lauf
solcher Art eingerichtetes Tier wird auch in seinen übrigen Organen nicht auf
Trägheit, Schwerfälligkeit oder auf Mut, Stärke und Angriffe abzielen, sondern
auf Flucht, Furchtsamkeit. Das gleiche läßt sich bei anderen Tieren und bei
Pflanzen nachweisen. — Die stufenmäßige Entsprechung hat in der abgestimmten
Stufung der Nervenzentren, die rangmäßige im Unterschied edler und nicht edler
Organe, die Freiheitsentsprechung in der abgestimmten Tätigkeitsweise und Selb-
ständigkeit der Organe ihre Belege. Auch das, was man häufig als „Gefüge“,
„Struktur“ zu bezeichnen pflegt, liegt in der Entsprechung als einem Baugesetz
aller Ganzheit.
Das beste Beispiel allseitiger Entsprechung bietet aber die
Physiognomik,
von der es einleuchtet, daß sie den Körper als die Vollgebärde, Entsprechung aller
seelischen Kräfte faßt (allerdings in Übertragung des Geistigen auf die stoffliche
Ebene). Denn nicht diese oder jene Eigenschaft drückt sich in Antlitz und Gestalt
aus, sondern alle — im Verhältnis ihrer Entsprechung. Die Gestalt ist etwas
Plastisches, Rundes, sie muß darum von überallher nehmen, muß selbst der
Ausdruck plastischer Entsprechung sein.
Durch Teilinhalt (Artung), Stufe und Freiheit der Glieder erst,
also durch die gesamte Verwirklichung der ebenbildlichen Ausglie-
derung hindurch, wird das, was vorher noch leere Hinordnung war,
zur sinnvollen lebendigen Wechselseitigkeit, korrelativen Zugehö-
rigkeit oder plastischen E n t s p r e c h u n g .
Was die Entsprechung kennzeichnet, ist ihre absolute Genauig-
keit und Empfindlichkeit. Entsprechung geht nicht zu Markte und
kennt kein Feilschen. Wer Ein Glied ändert in Denken, Leben, Ge-
sellschaft, Organismus und jeglicher Ganzheit, ändert auch alle an-