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vom Muskelsystem zum Nervensystem im Organismus, wofür es

allmähliche Übergänge nicht gibt, von Erkenntnis zum Wollen in

unserem Geist, von Volkstum zu Staat in der Gesellschaft und so

fort. Ebenso beim Stufenbau. „Abstufung“ sagt schon, daß abset-

zende, unstetige Verände- / rungen bestehen. Und das Eigenleben

endlich ist schon seinem Begriff nach in sich selbst zurückbezogen

und darum mit anderem nicht vermischbar, nicht stetig verbunden.

Im echten Ganzen ist jedes Teilganze, jedes Glied kraft der Entspre-

chung zwar auf das andere angelegt, aber es kann nicht durch all-

mählichen Übergang stetig in das andere übergeführt werden, weil

es ja eben gerade eine a n d e r e Ebene und Richtung der Eben-

bildlichkeit darstellt!

Allseitige „Entsprechung“ ist darum nur möglich auf der Grund-

lage der Nicht-Stetigkeit der Übergänge, der Unvermitteltheit

ihres Abbruches. Die Unstetigkeit durch Entsprechung erweist sich

überall als Denknotwendigkeit. Entsprechung duldet keinen steti-

gen Übergang, bedingt aber dafür Lückenlosigkeit einerseits, Ver-

wandtschaft andererseits. L ü c k e n l o s i g k e i t i n d e r E n t -

s p r e c h u n g u n d V e r w a n d t s c h a f t i s t d i e E r -

s a t z k a t e g o r i e f ü r d i e „ S t e t i g k e i t “ , d i e i n d e r

q u a n t i t a t i v e n E b e n e h e r r s c h t . Bekanntlich ist die

Infinitesimalrechnung der vollkommenste Ausdruck der quantitati-

ven Kategorie der Stetigkeit (des Kontinuums) beziehungsweise der

kausalmechanischen Verfahren- und Kategorienlehre.

Dieses Ergebnis ist eindeutig. Da aber in der mathematischen

und mechanistischen Naturwissenschaft das Dogma der Stetigkeit

die Verfahrenlehre beherrscht, seien noch folgende Bemerkungen

hierüber gestattet.

Die Mechanisten in der Biologie verfechten den Satz: „Die Na-

tur macht keine Sprünge“. Dieser Satz ist richtig, wenn darunter

der Ausschluß des Willkürlichen verstanden wird. Anders wenn er

dahin gedeutet wird, daß grundsätzlich stetige Übergänge sein soll-

ten, die durch „Variation“ (bei Darwin) und Anpassung (bei La-

marck) von der einen Art zur andern, sowie vom Unorganischen

zum Organischen hinführen. Demgegenüber hat Üxküll mit Recht

den Satz verfochten: „Die / Natur macht Sprünge.“

1

Auch das

1

Jakob von Üxküll: Bausteine zu einer biologischen Weltanschauung, Ge-

sammelte Aufsätze, eingeleitet von Felix Groß, München 1913,8. 17 ff.

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