190
[205/206/207]
malen) wie durch die Abstoßung alter bildet, die nun als „unwesent-
lich“ oder als „irrtümlich“ sich herausstellen, sei es, daß das alte
Begriffsgebäude eine rein logische Umbildung durch Klärung der
Begriffe erfuhr, sei es, daß durch neue Erfahrungen alte Merkmale
und / Erkenntnisse „umgestaltet“ wurden usw. — So wie die Um-
gliederung der Erkenntnisse spielt sich auch jene der ästhetischen
und religiösen Inhalte ab. Die „Umbildung des Stiles“, die „Festi-
gung“ der religiösen Dogmen kann, wie jede Umgliederung, nur
durch Neuaufnahme und Ausscheidung vor sich gehen. — Ebenso
kennt der Staat „absterbende Organe“ und „neu gebildete Organe“.
Dasselbe zeigt sich am Recht, wo die Außerkraftsetzung alter
Rechtssätze mit der Gültigkeit neuer Hand in Hand geht und in
diesem Sinne ein „Stoffwechsel“ mit der Umgliederung durch den
ebenso offensichtlich am Tag liegenden Akt der Rücknahme vor
sich geht, wie er sich am obigen Beispiel der Fabrik gezeigt hat.
Und überall, wo man auch hinblickt, erweist es sich, daß eine Um-
gliederung ohne die Begleiterscheinungen der Aufnahme und Aus-
scheidung undenkbar wäre.
Die Bedingung für Aufnahme und Ausscheidung liegt aber in der
„R ü c k n a h m e“, im Heimfall aller Glieder; und darin, daß in
der Neuausgliederung des Zurückgenommenen nur das Bestätigte
behalten, dagegen das Unbestätigte ausgeschieden wird; wie ja auch
die Erben eines Gutes alles wieder verlieren, wenn ihnen ein neuer
Bruder geboren wird und das ihre als neue Glieder der neuen Fami-
lie erst wieder neu empfangen müssen (falls sie dann nicht als nicht
mehr erbberechtigt ganz ausscheiden).
Der Begriff der R ü c k n a h m e wird eine weitere Bestimmung in der
Lehre von der Rückverbundenheit erfahren
1
. Die hier gegebene Begriffserklä-
rung reicht aber für seine Rolle in der Umgliederung vollständig aus.
Zusatz über die methodischen Folgerungen aus dem Begriff der Rücknahme
So wie wir eine rein ungeschichtliche Wissenschaft kategorial nicht anerken-
nen können, so können wir auch einen nicht-umgliedernden, nicht durch Rück-
nahme und Neuausgliederung gekennzeichneten Gegenstand kategorial nicht an-
erkennen. Wissenschaften, welche davon keine Spur an ihrem Gegenstand auf-
zeigen wollen und Umgliederung / m e t h o d i s c h verneinen, leiden an einem
inneren Mangel. Die verfahrliche Möglichkeit zur Anwendung unserer Kategorien
muß aber selbst bei dem heutigen, ausschließlich mathematisch bestimmten
Zustand von Physik und Chemie zugegeben werden. Ist doch in gewissem Sinne
1
Siehe unten viertes Hauptstück, § 26, „Mittewendigkeit“, S. 238 ff.