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und Ganzheitsleben kann nicht Stillstehen, Tat ist seine Losung.

Darum sehen wir in der Welt das Stockende, Ruhende überall

zurückgehen und in sich ersterben. Nichtstun ist Tod, nur Tat ist

Leben. Das ist urälteste Weisheit. Unsere Altvordern schmückten

auch das Leben nach dem Tod mit Taten aus und kämpften als Ein-

herier an der Seite ihrer Götter bis ans Ende um die Verklärung der

Welt. Tat ist Neugeburt, Stockung Unvermögen. Die Sprache sagt

es uns im Gebrauch mancher Wörter, zum Beispiel indem sie taub,

gotisch daufs, „verstockt“, mit dumm, leblos zusammenstellt. Sie

sagt es uns in vielen Sprichwörtern: „Was rastet, rostet“, „Streben

ist Leben“, „Arbeit gewinnt Feuer aus Steinen“. Welche Täuschung

ist dagegen das „in Ruhe Genießen“! Nur der Held, der Heilige,

der Weise genießen, weil nur sie sich ganz einsetzen und opfern.

Auch die „romantische Faulheit“ ist kein Nichts- / tun, sondern

innerliche Anspannung, ist inneres, statt äußeres Werk. Der behag-

liche Mensch dagegen ist überall welk und elend. Da er ohne Sporn

und Anstrengung bleibt, wird ihm die schönste Gabe schal. Behag-

lichkeit heißt Zurücksinken des Geistes in Sinnlichkeit, Vitalität.

Darum begreifen wir, daß die Tat, indem sie die Umgliederung in

sich schließt, das Lebensgesetz aller Ganzheit ist. Aber die Tat hat

wieder dasselbe Lebensgesetz wie alles Eigenleben, es ist das der

Hingabe. Nicht erst die Rücknahme, schon jedes Selbstsein hat Tod

an sich, wie es uns schon die kurze Überlegung über die Vollkom-

menheitskategorien des Eigenlebens gelehrt hat

1

. Wir fanden, daß

überall, wo das Glied sich in seinem Eigenleben von der Ganzheit

getrennt sieht, ihm auch seine Lebensgrundlage entschwindet. Das

überwuchernde Organ schädigt den ganzen Organismus und dadurch

seine eigene Lebensgrundlage. Von der Ganzheit durch ein Zuviel

oder Zuwenig sich abkehren, bedeutet die Beschreitung des Weges

zur Selbstvernichtung. Sich nicht hingeben, heißt sterben gehen.

Darum bringt wesensgemäß in der Umgliederung das Glied unauf-

hörlich sich selbst dem Ganzen dar, in immer erneuerter Rück-

nahme reduziert es sich auf seine Wurzel und Einheit, und nur

dadurch sichert und zeugt es sein Leben zu immer erneuter Aus-

gliederung. Auf solche Weise muß man verstehen, wie Sein schon die

Hingabe, selbstsüchtiges Eigenleben schon das Vergehen in sich hat,

1

Siehe oben § 13, S. 137 f.

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