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[208/209]

Auch der alte aristotelische Satz, daß jedem Werden ein Vergehen

entspricht, findet seinen Platz in dem entwickelten Begriff der

Umgliederung. Umgliederung beruht eben auf Rücknahme = Ver-

gehen; und Wiederausgliederung = Werden. Darum kommt Wer-

den notwendig aus Vergehen, darum nährt sich Leben ewig vom

Tod.

Wir können aber die erkannten Momente des Lebens noch näher

bestimmen und erhalten dann folgende Reihe: Tod als erste Phase

der Rücknahme — oder aber als endgültiger Rückfall; Wiederaus-

gliederung als Auferstehung des Früheren und als neue Zeugung. In

Fortzeugung und Auferstehung zeigt sich endlich auch eine

S e l b s t ü b e r w i n d u n g des Lebens, ein Streben zum Höheren

(der fälschlich so genannte Fortschritt). — Das sind die Momente,

die mit allem ganzheitlichen Sein unauflöslich verbunden sind!

Wenn im Fortzeugen ein Überwinden des Früheren, ein In-die-

Vergangenheit-Setzen des Bisherigen liegt, so ist noch zu bemerken,

daß dies kein „Fortschritt“ ins Unendliche, geradeaus, immerzu,

sein kann, weil dem der Begriff der Ganzheit entgegensteht. Die

Ganzheit ist etwas Geschlossenes, nicht ohne Gestalt, nicht ohne

Ende veränderlich und zu steigern

1

.

/

D. Die N o t w e n d i g k e i t d e r U m g l i e d e r u n g

Die Frage, warum die Ganzheit sich nicht in ewiger Herrlichkeit

eines strahlenden, einmal für immer gesetzten Gliederbaues erfreut

und in seliger Ruhe ihrer selbst genießt, warum sie vielmehr in

rastloser Veränderung sich umgliedert, wird sich wohl rein rational

nie ergründen lassen. Denn das hieße die Notwendigkeit der Zeit

und alles Zeitlichen überhaupt erklären. Aber einiges läßt sich von

den Schlüsselbegriffen der Ganzheit aus dennoch darüber erkennen.

Im Mittelpunkt einer solchen Betrachtung muß die Einsicht

stehen, daß die Ganzheit in einmaliger Ausgliederung offenkundig

sich nicht erreicht; ferner daß das Glied kraft der lebendigmachen-

den Ebenbildlichkeit notwendig als Eigenleben (vita propria) ge-

setzt ist. Beides drängt dazu, sich stets neu zu betätigen. Das Glied-

1

Weiteres darüber siehe unter den Rückverbundenheitskategorien „Zentrum“

und „Persönlichkeit“, unten § 24, II, und § 29, S. 234 ff., 248 ff. und 266 ff.