Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4350 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4350 / 9133 Next Page
Page Background

38

[33/34]

Zum dritten Satz: „Das Ganze ist logisch vor den Gliedern“. Diese

schon Aristotelische Wahrheit leuchtet daraus ein, daß die Glieder

begriffsgemäß stets nur Darstellungen der Ganzheit, Darstellungen

ihres Wesens sind. Die Bürger bringen den Staat, die Wörter brin-

gen die Sprache, die Organe den Organismus zur Darstellung. Und

zwar vermögen dies die einzelnen Glieder nur in beschränkter

Weise: Der Bürger, der Beamte, der Minister, der König, sie alle

sind nur in beschränkter, arteigener Weise Glieder des Staates, stel-

len ihn nur in beschränkter, arteigener Weise dar. Dasselbe leuchtet

von den Wörtern, den Organen und so fort ein. Alle Glieder sind

darum notwendig ihrem Gesamtganzen, sei es der „Staat“, sei es die

„Sprache“ und so weiter nachgeordnet, das Gesamtganze „Staat“, /

„Sprache“ ist ihnen vorgeordnet, ist ihr logisches Prius. Das Ganze

ist logisch vor den Gliedern.

Zum vierten Satz: „Das Ganze geht in den Gliedern nicht unter“.

Dieser Satz ist von entscheidender Bedeutung. Er bewahrt die Ganz-

heitslehre vor dem P a n t h e i s m u s als vor jener Ansicht, wo-

nach jedes setzende, schöpferische Wesen in seinem Geschöpfe, zu-

letzt Gott in der Welt, unterginge. Solcherart ist aber nie und nim-

mer das wahre Verhältnis der Ganzheit zu ihren Gliedern. Die

Ganzheit fließt in ihren Gliedern nicht aus, sie emaniert nicht, sie

bleibt bei sich selbst trotz aller Ausgliederung. Wir sehen das hand-

greiflich bei allen Ganzheiten unserer Erfahrung. Der Staat geht in

seinen Bürgern, die Kirche in ihren Gläubigen, die Seele in ihren

Gedanken, die Sprache in ihren Worten, das Leben in den Organen

nicht unter. Oder ein anderes Beispiel: Das d e n k e n d e Ich

spricht den Gedanken aus im W o r t e . Während aber das Wort

ausgesprochen ist, geht der Gedanke in ihm nicht unter, sondern

bleibt trotzdem als Gedanke noch bestehen, er befaßt die Worte,

die Sätze in sich. Das Ganze bleibt im Vorsein, während es sich in

den Gliedern darstellt, es hält die Glieder in sich befaßt.

II. Die Kategorien aus dem Begriffe der Ganzheit

Mit den beiden Sätzen: „Das Ganze stellt sich in den Gliedern

dar“, und „Das Ganze geht in den Gliedern nicht unter“, haben wir

die Grundlagen für das Gebäude der Kategorien gegeben. Die Kate-