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ren Ganzen als in seiner Mitte unmittelbar eingebettet, ihm ver-
bunden. Eine u n m i t t e l b a r e Verbindung zum anderen Gliede
hat es nicht. Es kann nicht auf das andere Glied u n m i t t e l b a r
wirken, das andere Glied ist für es gleichsam unberührbar, uner-
reichbar. Um auf das andere Glied zu wirken oder es zu erreichen,
muß es den Umweg über die Mitte nehmen. (Ein Krieger kann auf
den anderen nur über den Hauptmann einwirken, dieser bestraft
jenen, belehrt ihn und so weiter.) — Der B e g r i f f d e r
„ W e c h s e l W i r k u n g “ w i e ü b e r h a u p t j e d e r k a u -
s a l m e c h a n i s c h e B e g r i f f i s t d a m i t ü b e r w u n d e n .
Wir sehen selbst in der stofflichen Natur diesen Grundsatz unbe-
dingt gültig. In Wahrheit kann nicht ein Stein den anderen stoßen,
nicht / ein Stein auf dem anderen lasten; sondern sofern sie das
tun, tun sie es als Teile („Glieder“ wäre hier nur in übertragenem
Sinne gültig) des Schwerefeldes. Würde, während zwei Billardkugeln
gerade im Zusammenstoße begriffen sind, das Schwerefeld, das Fix-
sternsystem, plötzlich verschwinden, so könnte der Zusammenstoß
nicht durchgeführt werden.
Die Eingebettetheit jedes Gliedes in seine Ganzheit als in seine
Mitte ergibt auch den Begriff des ganzheitgemäßen und ganzheit-
widrigen, richtigen und unrichtigen Verhältnisses des Gliedes zu
seiner Mitte. Das wesensgemäße, ganzheitsgemäße Verhältnis heißt
die M i t t e w e n d i g k e i t oder Zentripetalität. Die „Mitte-
wendigkeit“ bezieht sich auf die einem Gliede unmittelbare Mitte,
zum Beispiel des Kriegers zu seiner Hundertschaft (oder deren
Untergliederung). Überspringt aber ein Glied seine Mitte und auch
alle, die darüber stehen, so kann es in unmittelbaren Rapport mit
dem Höchsten, zuletzt mit Gott treten. Dieses mystische Verhält-
nis nennen wir mit einem Worte des Meisters Eckehart „A b -
g e s c h i e d e n h e i t“. Abgeschiedenheit ist die u n m i t t e l -
b a r e Verbundenheit mit der Urmitte (unter Überspringung der
Zwischenganzheiten), Mittewendigkeit jene mit der jeweiligen
konkreten Ausgliederungsmitte. —
Wir sahen, daß keine Ganzheit nur e i n Glied ausgliedern kann.
Jede Ganzheit, jede Mitte gliedert mehrere Glieder zugleich aus. In
dieser Mit-Ausgegliedertheit sind die einzelnen Glieder aber ein-
ander Seinsgrund; aber nicht nur die Mit-Ausgegliedertheit, auch
die Mit-Rückverbundenheit begründet das Verhältnis der Glieder