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Abgrund des Nichts hinabsinken. Wo die Befassung aufhört, hört
auch das Sein auf; je m e h r s i c h d a s G e s c h ö p f v o m
S c h ö p f e r t r e n n t , u m s o w e n i g e r i s t es. Das heißt
weiterhin: S c h ö p f u n g u n d G e r i c h t g e h e n H a n d
i n H a n d . „Sein“ ist nicht ein für allemal; es muß immer neu ge-
schaffen, das bedeutet: vom Schöpfer bejaht, gehalten, gestützt wer-
den. Die „Befassung“ ist nicht nur ein Merkmal / des Schaffens
überhaupt (nicht nur eine ganzheitliche Kategorie schlechthin), son-
dern auch die Fortsetzung und B e j a h u n g der Schöpfung. Es
ist die fortdauernde Neuschöpfung, ohne die das Geschöpf nicht be-
stehen kann.
Was von seiten des Schöpfers gesehen die Befassung ist, das ist, von seiten des
Geschöpfes gesehen, die R ü c k v e r b u n d e n h e i t , wie die „Kategorienlehre“
lehrt
1
. Abermals zeigt sich vom Begriffe der Rückverbundenheit her, wie das
geschöpfliche Sein nicht als ein- für allemal seiend gedacht werden kann, wie
die Dinge nicht ihren Schatz an Sein schlechthin mitbekommen haben, sondern
in ihrer Rückverbundenheit sich selbst nochmals vorfinden müssen. Sie können
nur schaffen, wenn sie geschaffen werden
2
.
V. Chaos und Kosmos
Die Einsicht, daß alles Schaffen aus dem Nichts erfolgt und die
Urschöpfung überdies ohne Werkzeug vor sich geht, schließt es aus,
daß sowohl Gott aus einem Chaos schaffe, oder je geschaffen habe,
noch auch der Mensch je aus einem Chaos schaffen könne. Was ist
überhaupt das „Chaos“? Wenn es nur ein a b s o l u t Ungeordne-
tes (oder ein in absolute Unordnung geratener Weltstoff) sein kann,
also etwas, das in keinem Sinne mehr „Welt“, das heißt Geordnetes
oder Ganzes, ist, dann ist es so gut wie Nichts. Denn dann hat es
k e i n e r l e i b e s t i m m t e s Sein, ist es das schlechthin unbe-
stimmte Sein (schlechthin
άπειρον),
das ist aber das Nichts. Denkt
man den Chaosbegriff zu Ende, so läuft er auf das Nichts hin-
aus. Daher denn auch zum Beispiel in der „Schöpfung“ Haydns das
Chaos, um es irgend faßbar zu machen, als die S e h n s u c h t auf-
gefaßt wird. „Sehnsucht“ ist aber schon der Schatten, der Anfang
1
Siehe oben S. 42 ff.; vgl. auch mein Buch: Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena
1939, S. 232 ff.
2
Näheres darüber siehe unten S. 70 ff. und 82 ff.