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Die P e r s ö n l i c h k e i t k a n n n i c h t a u s d e r W e l t
h e r a u s t r e t e n .
Die Enthüllung des Schöpfers und die Bewährung des Geschöpfes
geht die gesamte Stufenleiter der Schöpfung hindurch, Mensch und
Natur enthüllen Gott auf ihre Weise. Der Erzieher enthüllt sich im
Zögling, der Feldherr enthüllt sich in den Führern, diese in den
Kriegern; die Führer, die Krieger hinwieder bewähren sich im
Feldherrn. Enthüllung und Bewährung können geradezu als zwei
Seiten der Wirklichkeit betrachtet werden. Diese beiden Seiten
fallen ja auch mit dem immer wieder Hervorgehobenen zusammen,
wonach alles Sein eine zweifache innere Bewegung enthält: das Ge-
schaffenwerden und das Schaffen.
Der Begriff des Erscheinens der Wesenheit oder der Enthüllung
des Schöpfers ist abermals dazu angetan, um das durch und durch
unmechanische Gepräge des Seins klarzumachen. Nicht mechanische
Verbindungen der Stücke, sondern Wesensinhalte bilden die Welt.
VII. Notwendigkeit und Freiheit im Schaffen
Das Schaffen ist beim Menschen und jedem Geschöpfe ein ihm
aufgegebenes Werk, denn es besteht im Weitergeben eines ihm Vor-
geschaffenen. In diesem „Weitergeben“ nun liegt, wie wir schon
bei anderer Gelegenheit andeuteten
1
, ein Stück Freiheit, nämlich die
Freiheit des Geschöpfes, seine Eigenmacht, sein Eigenleben vollkom-
men oder unvollkommen zu gebrauchen, oder auch, wie Trägheit
und Selbstmord beweisen, gar nicht zu gebrauchen. Mit dieser Frei-
heit ist überall Abhängigkeit verbunden, insofern der Esel nicht wie
ein Pferd, das Pferd nicht wie ein Esel tun und sein kann. Nur das
Anerschaffene kann weitergegeben werden: das ist eine natürliche
Notwendigkeit. Allerdings / bleibt es frei, dieses Anerschaffene
„anzunehmen“ oder nicht (a c c e p t a t i o), aber auch das nur in
bestimmtem Sinne; denn das Eingegebene hat den Charakter des
„Aufgegebenen“ des „Aufgetragenen“. Alles Sein ist gesolltes Sein
2
,
1
Siehe oben S. 63.
2
Siehe mein Buch: Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 371 ff.