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dieses Überendliche in besonderen Inhalten aufzuzeigen, kein Ende.
Wenn aus dem Sein überhaupt (a) und aus dem Denken über-
haupt (b) Gott bewiesen wird, so kann er aus allen Gebieten noch im
besonderen bewiesen werden. Aus der Natur und dem Geiste, aus
der Seele (psychologisch), aus der Sittlichkeit, aus der Kunst, aus der
Gesellschaft, aus der Geschichte sind solche Beweise möglich. Solche
Gottesbeweise sind also unzählige möglich. Alle Geschöpfe bezeu-
gen Gott.
Unsere Aufgabe ist es nicht, dieses hier auszuführen. Wir müssen
uns darauf beschränken, über den ersten und zweiten Gottesbeweis
noch das Nötigste zu bemerken.
A. Der B e w e i s a u s d e m G e f ü g e d e s S e i n s o d e r
a u s d e m W e s e n d e r G a n z h e i t
Den Beweis aus dem Wesen der Ganzheit haben wir schon in
unserer „Kategorienlehre“ entwickelt
1
. Er schließt aus dem ganz-
heitlichen Gefüge des Seins. Jedes Ganze ist begriffsgemäß Glied
einer höheren Ganzheit. Sowohl von der Ausgliederung wie von
der Rückverbundenheit aus gesehen, zeigt sich das Sein als ein
S t u f e n b a u . Der Hinweis auf ein H ö h e r e s , den das stufen-
bauliche Gefüge in sich hat, geht nicht wie die Kette der endlichen
Ursachen und Wirkungen auf immer wieder neue Vorgänger glei-
cher Ebene, sondern verlangt begriffsgemäß (dem Gefüge nach) eine
letzte Urstufe, eine letzte ausgliedernde Urmitte — Gott. Was der
kosmologische Beweis nur durch einen logischen Sprung, durch eine
μενάβαοις εις άλλο γένος
erreicht, indem er von der Bewirkung
(mechanische Ursächlichkeit) auf die Schöpfung überspringt, erreicht
der ganzheitliche Beweis aus seiner kategorialen Voraussetzung.
Im Gedanken der Urmitte liegt kein Pantheismus, weil / das
Ganze als solches nicht erscheint, weil das Ausgliedernde im Aus-
gegliederten nicht untergeht, sich mit ihm nicht vermischt, ihm
nicht wesensgleich ist. Gott als Schöpfer ist Urmitte der Welt, er
befaßt sie und hält und trägt sie; aber er bleibt in dem Unerreich-
baren seines Überseins. Er schafft diese Welt, aber er wird nicht
1
Vgl. meine Kategorienlehre,
2.
Aufl., Jena 1939, S. 400 ff.