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Solche Belege, wie man sie in den Lebensgeschichten aller großen
Männer und in den entscheidenden Wendungen der Geschichte des
Wissens, der Kunst, der Religion, des Staates findet, ließen sich für
sämtliche Gebiete des menschlichen Schaffens beliebig häufen. Nicht
nur der Dichter und der Musiker, auch der Maler, der Bildhauer
und jeder andere Künstler, ebenso der religiöse Mensch, der Denker,
der Wissenschaftler, der Erfinder, / der Arzt, der Staatsmann, der
Krieger, der Wirtschaftsführer, der Feldherr — sie alle müssen be-
stätigen: daß ein Schauen ihrem Denken, ein Geschaffenwerden
ihrem Schaffen und Tun vorhergeht. Nicht nur der Dichter wird ge-
boren, wie das Sprichwort sagt, auch der Heilige wird geboren
(siehe die Geschichte der hl. Hildegard, hl. Theresia), der Philosoph
wird geboren, der Held und Ritter wird geboren (Parzifal wird
zum Ritter gegen alle Absichten seiner Mutter), der Herrscher wird
geboren, der Redner wird geboren, der Erfinder wird geboren, der
Staatsmann wird geboren. Äußert sich die Entschiedenheit des
Charakters nicht schon in frühester Kindheit? Wir finden auch
überall, daß der Grundbegabung im Ganzen auch das nötige Rüst-
zeug in den Anlagen mitgegeben wird. Auf diese M i t g e g e b e n -
h e i t hin sind daher die äußeren „Eignungen“, „Dispositionen“
zurückzuführen, welche wir oben empiristischerseits als den (me-
chanisch gemeinten) Erklärungsgrund der Begabung kennenlern-
ten. Da das äußere R ü s t z e u g der Erleuchtung (Begabung) bloß
mitgegeben ist und nur die zweite Rolle spielt, so verstehen wir
auch, warum umgekehrt die äußere Eignung der sinnlichen Kräfte
allein, zum Beispiel das musikalische Gehör, nicht schon die geistige
Begabung selbst ausmacht
1
.
Der schon berührte Einwand
2
, von Eingebungen dürfe man nur
bei den höchsten geistigen Erscheinungen, nicht aber bei den ge-
wöhnlichen sprechen, ist nicht stichhaltig. Denn notwendig ist die
niedere Erscheinung aus der höheren zu erklären, nicht umgekehrt.
Das Niedere ist die Vereinfachung des Höheren, der umgekehrte
Fall wäre undenkbar. Daher, was am höchsten Menschen sich
zeigt, auch für den niederen gilt, aber allerdings nur in verein-
1
Siehe oben S. 207 f.
2
Siehe oben S. 214.