S e c h s t e r A b s c h n i t t
Die Gezweiung höherer Ordnung des Geistes mit
dem Stoffe
I.
Die innere Sinnlichkeit und die Triebe
In der Gezweiung höherer Ordnung haben wir das plastische Ver-
mögen des Geistes vor uns, kraft dessen er seinen „Leib“ bildet.
Nicht in dem Sinne, daß er selbst Stoff und Raum wird, was un-
möglich ist
1
, aber in dem Sinne der Fähigkeit, mit den immateriel-
len Wurzeln des Stoffes eine Verbindung einzugehen. Dies begrün-
det, wie wir nach dem früheren hier nicht wohl neu zu beweisen
haben, keinen „psychophysischen Parallelismus“. Geist und Leib
gehen nicht getrennt nebeneinander her, sondern vereinigen sich in
der Wurzel. — In seiner Gezweitheit mit dem Leibe nennen wir
den Geist Seele.
Es folgt aus dem Begriffe der Gezweiung höherer Ordnung, daß
der Geist nicht etwa eine ordnungslose, gleichsam zufällige Verbin-
dung mit Stoffen eingeht, wie ein Mensch, der des Weges geht und
Steine auf liest. Sondern diese Verbindung muß eine ganz bestimmte,
geordnete, planvolle sein, sie muß dem inneren Tun und Gefüge der
Seele (des Geistes) Genüge leisten. Der Leib muß ein körperliches
Entsprechungsbild der Seele darstellen! Der innere Leistungs- und
Gliederbau der Seele muß sich in einem entsprechenden Leistungs-
und Gliederbau des Leibes auf seine Weise abspiegeln. D a r u m
u n d n u r / d a r u m i s t d e r L e i b p h y s i o l o g i -
s c h e r O r g a n i s m u s , das heißt Gebäude von Leistungen und
Gliedern. Und darum ist auch der Organismus des Tigers notwen-
dig ein anderer als jener des Menschen. Dies folgt aus dem Begriffe
der Gezweiung höherer Ordnung. Nach ihm ist auch der Leib als
1
Siehe oben S. 167 ff., besonders S. 171.