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Ermüdungsgefühl desgleichen, „so daß der Patient den Arm ausgestreckt halten

konnte, bis er nach Minuten unter heftigem Zittern herabsank und objektiv völlig

ermüdet war, während jedes Ermüdungsgefühl fehlte“. Geschmack und Geruch,

Gefühl für Hunger und Durst waren aufgehoben. „Wurden nun diesem Patienten

das sehende Auge und das hörende Ohr verschlossen, so verfiel er nach zwei bis

drei Minuten in tiefen Schlaf, der stundenlang anhielt: der wache Zustand des

Gehirns“, so schließt Pütter, „ist also ohne die von außen kommenden Erregun-

gen, die die Sinnesorgane aufnehmen, nicht zu erhalten“

1

.

Dieser Schlußfolgerung, welche für die sensualistische Einstellung bezeichnend

ist, muß aber widersprochen werden. Denn was für jenen schwerkranken Men-

schen galt, gilt nicht allgemein. Laura Bridgman, die bei mangelnden Sinnen

geistig hoch stand, ferner die Erfahrungen bei sogenannten magnetischen und

hypnotischen Zuständen aller Art, wo ein Bann die Sinnestätigkeiten lähmt,

dürfen nicht willkürlich übergangen werden. Denn sie zeigen im Gegenteile, wie

bei Ausschaltung der äußeren Sinnestätigkeiten eine Erhöhung innerer Tätigkeiten

eintreten kann, ja sie zeigen eine derartige Erhöhung gewisser Sinnes- und Gei-

stestätigkeiten, daß wir bei gesundem und einfachem Zustande niemals darauf

verfielen, der Mensch sei solcher Leistungen fähig.

Der sensualistisch-mechanistischen Fehleinstellung entstammt auch die Lehre

von den sogenannten s p e z i f i s c h e n E n e r g i e n d e r S i n n e s o r g a n e ,

über die man die treffliche Darlegung von Trendelenburg vergleichen möge

2

.

Wenn wir sagen, die Empfindung werde durch die Sinnesorgane

nur vermittelt, der Geist selbst ist es, der empfindet, so müssen wir

dies näher erklären.

Worin besteht die Eigentätigkeit des Geistes, auf die wir zurück-

gehen müssen, um die Sinnesempfindung zu erklären? Es ist mit

Recht hervorgehoben worden, daß die chemisch-physikalischen Vor-

gänge im Sehzentrum etwas ganz anderes sind als das Sehen. Worin

besteht dieses „andere“? Wie ist dieses Verhältnis von geistiger und

stofflicher Ebene (denn es sind zwei verschiedene Ebenen) zu erklä-

ren? Das ist die Frage.

Hier ist nur eine Antwort möglich und diese lautet: Der Geist

empfindet gar nicht die „Eindrücke“, er empfindet gar nicht die che-

misch-physikalischen Vorgänge, die sich im Sehzentrum oder in

anderen Organen abspielen. Sondern alle diese Vorgänge sind nur

Vorbedingungen, nur Veranlassungen dafür, daß der Geist rein an

sich in Tätigkeit tritt: Im Sehen wie im Hellsehen ist ein unver-

mitteltes Verhältnis zum Gegenstande.

1

August Pütter: Artikel Sinnesorgane, S. 85.

2

Friedrich Adolph Trendelenburg: Logische Untersuchungen, Bd 2, 3. Aufl.,

Leipzig 1870, S. 521 f. und öfter.