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Samtergebnis seiner Vernunftkritik ist, daß alle Stammbegriffe

des Verstandes vermöge ihrer Natur a priori auf die reine Anschau-

ung (Raum und Zeit) bezogen sind und ohne dieselbe nicht in Gel-

tung treten können. Wir stimmen dem zu, erweitern aber den Be-

griff der Sinnlichkeit, indem wir die gesamte äußere und innere

Sinneserfahrung einbeziehen; dadurch erhalten allerdings Raum

und Zeit eine andere Stellung

1

: Die Sinnesempfindungen bilden

nicht den leeren Rahmen (Raum und Zeit als bloße Formen), son-

dern sind selbst Naturqualitäten, also Inhalte. Es leuchtet ein, daß

die äußere Sinnlichkeit eine grundlegende Rolle nur in der Erfül-

lung des Geistes mit Erfahrungsinhalten, nicht aber im gefügehaften

Aufbau des Geistes selber haben kann.

Unser Lehrbegriff der Sinnlichkeit darf sich in bestimmtem Sinne

auch als A r i s t o t e l i s c h u n d H e g e l i s c h bezeichnen.

Denn bei Aristoteles sowohl wie bei Hegel ist das Bewußte der

Empfindung u n m i t t e l b a r . Daraus folgt, daß die Sinnesorgane

nur vermittelnde Bedeutung haben können

2

.

Schließlich haben wir noch den V o r r a n g d e r G e -

z w e i u n g , d i e a u c h i n d e n E r s c h e i n u n g e n d e r

ä u ß e r e n S i n n l i c h - / k e i t nicht fehlt, hervorzuheben;

er ergibt sich aus den früheren Zergliederungen der dem Denken

Vorgehenden Stufen von selbst.

Außerdem gilt der Vorrang a l l e r bisherigen Stufen vor jener

der äußeren Sinnlichkeit.

Wie der Zustand unserer Zeit nun einmal ist, sind die empiristischen Beden-

ken so tief festgewurzelt, daß wir nochmals auf den S t a n d p u n k t d e r

s e n s u a l i s t i s c h e n S e e l e n l e h r e zurückkommen müssen. Zwar dürfen

wir ihren obersten Grundsatz, daß alle geistigen Inhalte aus der Sinneserfahrung

stammen und darum als Zusammentreten und Auseinandertreten der gefühls-

betonten V o r s t e l l u n g e n aufzufassen seien, schon mit dem Leibnizischen

„nisi intellectus ipse“ als widerlegt betrachten

3

. Leibniz behauptete damit, wie

später genauso Kant, den Vorrang des Geistes. Welche Bedeutung hat aber der

1

Uber Raum und Zeit siehe unten S. 333 ff. und 356 ff.

2

Vgl. Aristoteles: Drei Bücher über die Seele, übersetzt von Adolf Busse,

Leipzig 1911, Drittes Buch. — Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der

philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, in 2. Auflage neu herausgegeben

von Georg Lasson, Leipzig 1905, §§ 399 ff. (= Philosophische Bibliothek, Bd 33).

— Johann Eduard Erdmann: Grundriß der Psychologie, 4. Aufl., Leipzig 1862,

§§ 48 ff.

3

Vgl. oben S. 218 f. und 221.