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[423/424]

Die größten Geister in der Geschichte der Philosophie entschie-

den sich für die Endlichkeit des Raumes, so Platon

1

, Aristoteles

2

,

Plotin, Thomas

3

, Eckehart

4

, Augustinus, Fichte

5

, Schelling

6

, Hegel

7

,

Baader

8

, Fichte der Jüngere

9

. Daß / unser heutiges Zeitalter durchaus

an die Unendlichkeit des Raumes glaubt, teilt es mit allen natura-

listischen und mechanistischen Zeitaltern. Der übliche Beweis für die

Unendlichkeit des Raumes beruht aber auf einem völlig mechanisti-

schen Raumbegriffe. Stellt man sich vor, so lautet dieser schon aus

dem Altertum stammende Beweis, jemand stünde am angenomme-

nen Ende der Welt und würfe von da einen Speer in den Raum hin-

aus. Dann träfe er entweder auf etwas, zum Beispiel eine Mauer,

also war es nicht das Ende der Welt; oder er flöge bis in das Un-

endliche unaufhörlich weiter. In beiden Fällen ist bewiesen, daß

eine Grenze des Raumes nicht denkbar, daß der Raum daher un-

endlich sei. Die Antwort hierauf lautet einfach genug: Wo keinerlei

Dinge sind, ist auch kein Raum. Sind daher an jener Stelle noch

stoffliche Dinge, die sich verräumlichten, zum Beispiel eine Mauer

oder luftartige Stoffe, dann ist dort noch Raum; sind aber dort kei-

nerlei Dinge, so ist auch nichts, das sich verräumlicht und damit

schlechthin das Eigenschaftslose, das Nichts. Wenn wir einen lee-

ren Raum denken, müssen wir ihn freilich ähnlich wie jenes

Beispiel denken; im formellen leeren Raum ist nichts, was ihn

zum Aufhören bestimmen könnte. Denkt man aber die dingliche

Welt, die sich verräumlicht, dann können wir den Raum nur so weit

1

Platon: Timaios, 30 d, 33 b ff. (Die Welt hat Gestalt, ist ein sichtbares

lebendiges Wesen), 58 A (es gibt keinen leeren Raum).

2

Aristoteles: Physik, IV, 1—5.

3

Vgl. Otto Willmann: Geschichte des Idealismus, Bd 2, 2. Aufl., Braun-

schweig 1907, S. 377.

4

„Alle Dinge sind ausgeflossen in der Zeit mit Maß.“ — Meister Eckhart,

herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1837, S. 503, Zeile 38.

5

Johann Gottlieb Fichte: Werke, Auswahl in 6 Bänden, herausgegeben

von Fritz Medicus, Bd 6, Leipzig 1912, S. 350 ff.; Sämtliche Werke, herausge-

geben von Immanuel Hermann Fichte, Bd 9, Berlin 1846, S. 335 und öfter.

6

Schelling: Weltalter, Sämtliche Werke, Abt. 1, Bd 8, Stuttgart 1860.

7

Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse,

in 2. Auflage neu herausgegeben von Georg Lasson, Leipzig 1905, § 254

(= Philosophische Bibliothek, Bd 33).

8

Franz von Baader: Sämtliche Werke, Bd 1, Leipzig 1830, S. 52 ff.

9

Immanuel Hermann Fichte: Psychologie, Bd 1, Leipzig 1864, S. 29 ff. (in

bedingtem Sinne).