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herab wächst, ist kein bloß künstlerisches Bild mehr, sondern schon
das Bild einer begrifflichen, philosophischen Lehre. An den Himmel
ist alles gekettet, was auf Erden ist, himmlische Gewalten, schaf-
fende / Mächte stehen den irdischen Dingen vor. — Auf Ähnliches
weist endlich die germanische Vorstellung von den n e u n H e i -
m e n zwischen den Wurzeln der Weltesche hin. Wären unsere
Quellen von der germanischen Mythologie nicht so jung, so dürfte
man sie geradezu als Beweis dafür betrachten, daß die Ideenlehre in
ihrem Grundgedanken ein Urgut der Gotteslehre auch der altger-
manischen Priesterschaften war.
Diese Meinung wird gestützt, wenn man auf andere indogermani-
sche Religionslehren blickt. Die indischen Upanischaden kennen
zweifellos Vorstellungen, die den angeführten germanischen ent-
sprechen und auch theoretisch die Lehre von Ideen verraten
1
. Die
Upanischaden sind ebensowohl als rein religiöse wie als philosophi-
sche Zeugnisse zu werten
2
. Die altindische Seelenwanderungslehre
führt dazu, daß allen lebenden Dingen eine bleibende Idee vor-
steht
3
.
/
Bei dieser Gelegenheit möge, obwohl es nicht in den geschichtli-
chen Zusammenhang gehört, auf den christlichen Begriff des C o r -
p u s C h r i s t i m y s t i c u m hingewiesen werden, eine tief-
religiöse Vorstellung, welche die Denkart der Ideenlehre fortführt.
1
Vgl. Paul Deussen: Sechzig Upanishads des Veda, 2. Aufl., Leipzig 1905.
„Wurzeln oben, Zweige niederhangend,
Stehet jener ewige Feigenbaum;
Dieser ist das Reine, ist das Brahman,
Dies wird das Unsterbliche genannt.
In ihm ruhen alle Weltenräume,
Keiner schreitet über ihn hinaus.“
Kâthaka-Upanishad 6, 1, in: Paul Deussen: Sechzig Upanishads des Veda,
2. Aufl., Leipzig 1905, S. 284.
Aus dem Kâthakam (12, 5) führt Deussen (Allgemeine Geschichte der Philo-
sophie, Bd 1, Abt. 1, Allgemeine Einleitung, 5. Aufl., Leipzig 1922, S. 206) an:
„Prajâpati [der Weltschöpfer] fürwahr war diese Welt; ihm war die Vâc
[Rede] sein Zweites [sein Alter ego]; mit ihr pflog er Begattung; sie wurde
schwanger; da ging sie von ihm aus, da schuf sie diese Geschöpfe, und dann ging
sie wieder in Prajâpati zurück.“ Es ist wieder die Logoslehre, die hier begegnet,
die Worte Gottes sind seine schaffenden Schöpfergedanken, die Ideen.
2
Vgl. hierzu Paul Deussen: Die Philosophie der Upanishads, Leipzig
1894, S. 179, 198 f. und öfter.
3
Paul Deussen: Die Philosophie der Upanishads, Leipzig 1894, S. 282 ff. und
285 ff.