Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4957 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4957 / 9133 Next Page
Page Background

[50/51]

81

wesentlich die Verbindung von Transzendenz und Immanenz, so daß Panentheis-

mus (wie Krause sagte) die Ernst desselben war. Indessen kann diese Frage,

die zu weitem Ausholen nötigen würde, hier nicht abgehandelt werden.

Anderes, was Hegel sonst von individualistischer Seite schlecht angerechnet

zu werden pflegt, gereicht ihm, tiefer gesehen, zur besonderen Ehre. Wenn er

sich dem liberalen Umsturzstreben seiner Zeit mannhaft widersetzte; wenn er

Innungen und Zünfte — ohne der notwendigen Neugestaltung zu vergessen —

verteidigte

1

; wenn er forderte, daß die Obrigkeiten in den Gemeinden und

Unterstufen des Staates es sein sollen, welche die Kammer bilden, die mit dem

Monarchen zusammen den Staat lenkt, nicht aber durch allgemeines Stimmrecht

gewählte Vertreter, dann bewies er hier die Weisheit des Philosophen, der über

seiner Zeit steht. Denn die Zeit war individualistisch, nicht etwa romantisch. Die

Romantiker traten, was man nicht vergessen möge, damals gar bald in den Hin-

tergrund und wurden schließlich beiseite geschoben, ähnlich wie Platon und Ari-

stoteles, die von der nach Perikies neu aufkommenden Demokratie nicht gehört

wurden.

Als Jüngling war Hegel gleichwie Fichte, Schelling, Adam Müller, Görres,

die Schlegel und alle die anderen Romantiker von den Ideen der Französischen

Revolution ausgegangen. Aber er erkannte bald, wie alle großen Geister seiner

Zeit, die Kulturgefahr alles Individualismus. Sein Wesentlichstes ist und bleibt

die Entschiedenheit, mit der er einen objektiven Idealismus nicht nur in der

Ontologie, sondern auch in der Gesellschaftsphilosophie durchführte.

VII.

Ein Blick auf die nachhegelische Gesellschaftsphilosophie

In der nachhegelischen Zeit stürzte der deutsche Geist von seiner

Höhe herab. Idealistische Philosophie und Romantik wurden vom

Materialismus und dem ruhmlosen „jungen Deutschland“ überwäl-

tigt. Die gesellschaftlichen Wissenschaften suchten ihre Begründung

in der empiri- / stischen Philosophie, in der Art, wie sie früher ge-

kennzeichnet wurde

2

. Die gesellschaftlichen Wissenschaften such-

ten dabei nach naturwissenschaftlicher Weise in der Erweiterung

ihres Erfahrungsstoffes das Heil, sie versuchten, sich auf die „Erfah-

rung“ allein zu stützen. Das sollte dadurch erreicht werden, daß

empirische Psychologie, Kindespsychologie, Biologie, Völkerkunde,

Geographie — diese als „Anthropogeographie“

3

—, ferner Stati-

stik, Geschichte, Vorgeschichte, je einzeln und mehr oder weniger

1

Hegel: Rechtsphilosophie (= Die Herdflamme, Bd 11), Jena 1927, §§ 210 ff.

und §§ 2 50 ff. — Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im

Grundrisse, in 2. Auflage neu herausgegeben von Georg Lasson (= Philosophi-

sche Bibliothek, Bd 33), Leipzig 1920, §§ 533 ff.

2

Siehe oben S. 13 ff.

3

Friedrich Ratzel: Anthropogeographie, 3. Aufl., Stuttgart 1909.

6

Spann, 11