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Schichtsphilosophie indessen zeitlich. — Der Entwicklungsbegriff

Hegels hat mit dem Mechanischen eines Darwin und Marx, mit dem

er früher so oft zusammen genannt wurde, nicht das geringste zu

tun. Hegel faßt den Gang der Geschichte als einen geistigen und

sinnvollen auf.

3.

Beurteilung

Es ist leicht, zeugt aber von Seichtigkeit, Hegel nach seinen Feh-

lern und Mängeln, wie sie namentlich in der konstruktiven Ge-

waltsamkeit des dialektischen Verfahrens offen zutage liegen, zu be-

urteilen. Wer tiefer blickt, kann im Gegenteile seine Verdienste

um die systematische Ausführung der meisten Grundgedanken des

deutschen Idealismus nicht hoch genug veranschlagen. Fichte starb

zu früh und kam zu keinem Ende; Schelling, der deutsche Platon,

war kein durchdringend systematischer Geist; Baader, das „elektri-

sche Blitzgenie“, wie ihn Görres nannte, legte es von Anbeginn

nicht auf einen strengen Begriffsbau an; die Romantiker finden wir

überall mehr durch das Suchen und Vertiefen als durch das Ab-

schließen und Vollenden gekennzeichnet. Bedenkt man das alles, so /

mag man die große Leistung Hegels als Systematiker des deutschen

Idealismus ermessen und auch die Erklärung dafür finden, warum

ein so schwer verständlicher Schriftsteller doch so durchschlagende

Erfolge erzielen konnte.

Auf die selbständige Wiedererzeugung uralten Lehrgutes der

alten idealistischen Philosophie, wie wir es in den altindischen

Upanishaden, bei Platon, Aristoteles und in der Scholastik finden,

wurde oben

1

wiederholt, aber lange nicht erschöpfend hingewiesen.

An Hegel wird die Einheit der Lehrbegriffe alles idealistischen

Philosophierens deutlicher offenbar als sonst.

a.

Die Lehre vom objektiven Geist

Sie gehört schließlich als Ganzes zur Wiedererzeugung alten Lehr-

gutes aus den eigenen Voraussetzungen der Zeit. Denn was ist der

Nachweis der intelligiblen Ganzheiten, wie sie in Staat, Recht,

Familie, Wirtschaft vorliegen, anderes, als eine neuzeitliche Gestal-

tung derselben Gedankengänge, die wir in der Platonischen und,

wenn auch zum Teil abgeschwächt, in der Aristotelischen, damit

auch in der scholastischen Staats- und Sittenlehre finden? Wenn auch

1

Siehe oben S. 66 und 74.