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ist innere Ergriffenheit, B e g e i s t e r u n g für das Handeln. Diese
Grund- und Urtatsache alles gesellschaftlichen und persönlichen
Lebens wird darum so oft übersehen, weil wir gewohnt sind, die
Tätigkeit zu äußerlich, zu mechanisch aufzufassen.
Die Wurzel der falschen Meinung von der nur äußerlich-mechanischen Natur
der Tätigkeit gegenüber der allein seelischen des Vorstellungslebens liegt in der
Assoziationspsychologie. Auf ihre falsche Lehre, die das Handeln dahin erklärt,
daß es teils aus R e f l e x e n entstehe, teils die V o r s t e l l u n g des Bewegungs-
b i l d e s der / Bewegung vorhergehe und die vorgestellte Lust sie „m o t i -
v i e r e “ — auf diesen flachen Sensualismus hier einzugehen liegt kein Grund vor.
Vielmehr liegt darin, so sahen wir schon früher, daß ein Erlebtes zum Z i e l e
werde (zum Gesollten kraft der Inhärenz des Vollkommenen im Unvollkom-
menen), die große Wendung vom Reinen oder Inner-Geistigen zum Wollen! Und
im Fortgange dieses Wollens — vom bloßen Zielsetzen zum konkret entschlos-
senen, zum tätigen Wollen, dem Tun selbst — muß d i e s e r C h a r a k t e r ,
„ Z i e l “ z u s e i n , j e d e m G l i e d e d e r g a n z e n W i l l e n s - u n d
W i r k e n s r e i h e z u k o m m e n ; auch den etwaigen „Lustmengen“ und den
etwaigen „Bewegungsbildern“, oder was sonst dabei Vorkommen mag, muß der
Charakter, „Ziel“ zu sein, und das heißt g ü l t i g zu sein, jedenfalls zukommen!
Keine Lust- und Unlustbilanz, keine Motivengewichtsbilanz, sondern allein
die Rangordnung in der Reihe der Ziele und Zwischenziele ist maßgebend; das
heißt, anders gesagt:
1.
die G e s o l l t h e i t , Gültigkeit ist das Prius der Gewolltheit, dagegen sind
die Lustmaße nur Material dabei, nur Vor- oder Nebenerscheinung;
2.
die g a n z e R e i h e d e s W o l l e n s u n d W i r k e n s i s t e i n e
e i n h e i t l i c h e ; sie ist e i n Erlebnisganzes, sie hat es daher nicht nötig,
von der „Vorstellung“ zur Tätigkeit mittels eines „Lustgewichtes“, „Lustmotors“
erst überzuspringen; denn
3.
im Innergeistigen, dem Intuitiven und Diskursiven, ist selbst schon Tätigkeit,
Handeln, aber allerdings ein im Innern des Glaubens, Wissens, Gestaltens
verbleibendes Handeln. Das Handeln auf der Stufe des Willens und Tuns ist
also kein g r u n d s ä t z l i c h n e u e s Element, das zur Vorstellung erst
hinzukäme!
Handeln, Tun, Wirken ist als bloß äußere, mechanische Aufein-
anderfolge von Elementen und Abschnitten nicht zu verstehen. Es
zieht, wie sich in der Geisteslehre zeigte, auf Grund des Willens die
Summe aus allen früheren Stufen des Geistes. Darum ist Wollen und
Handeln nicht der Urgegensatz zum Denken. Die Wendung vom
Empfangen oder Schauen zum Tun, vom Geschaffenwerden zum
Schaffen ist schon auf den Stufen vor dem Handeln und Wollen da.
Die zwei Seiten des Geistes, die in Gesellschaft und Geschichte
ebenso wie beim Einzelnen überall hervortreten, sind immer die-
selben: sie zeigen sich als in-sich-gekehrt-und-versunken-Sein oder
Schauen; und als das Hervortreten des Geschauten, gleichsam als das
Überfließen und Ausbrechen — im Wirken, im Werk!
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