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stige Vorgeordnete des Staates, Staat das geistig Nachgeordnete des
Volkstums. Zu bemerken ist, daß hier der Staat seinem jeweiligen
S t u f e n w e r t nach, also nicht als „Überstaat“ (als Gesamtorgani-
sation der „Menschheit“ oder des „Kulturkreises“ und so fort) zu
fassen ist, sondern als Gesamtorganisation eines konkreten Volkes
und Volksgebietes, das heißt als der geschichtlich wirkliche Staat. —
Ferner gilt:
Staat geht vor den Unterganzheiten des Staates (Gau und Ge-
meinde). — Zuletzt folgt noch:
Volksglied geht vor Staatsglied.
Als auf ein besonders wichtiges Ergebnis, das sämtlichen Völkern der Erde im
Blute hegt, nur, wie es scheint, uns Deutschen erst durch Gelehrtenwitz kund-
getan werden soll, sei unter den obigen Sätzen auf den Satz hingewiesen: „Volks-
tum geht vor Staat“; ein Satz, der nichts anderes ist denn der Ausdruck des all-
gemeineren Satzes: „Der geistige Teilinhalt geht vor dem zugehörigen han-
delnden“
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, und darum unbestreitbar bleibt. Denn was V o l k s t u m s e i ,
kann aus dem ganzen Gesamtzusammenhange nicht mehr unklar sein. Volkstum
ist der bestimmte S t u f e n w e r t dessen, was wir im Bereiche der rein geisti-
gen Teilinhalte als deren Einheit, das Geistursprüngliche und die Sittlichkeit,
das heißt als den „gefestigten Geist“ oder die „K u l t u r “ kennenlernten. Es ist
die Einheit alles geistigen Lebens, sofern es auf der unter dem „Kulturkreis“
und / unter dem „Völkerkreis“ stehenden Stufe des Volkes erscheint. In der
Geschichte ist diese Stufe meistens (anders im Mittelalter mit dem Latein als
übervölkischer Bildungssprache!) die lebendigste und realste im ganzen Stufen-
bau. Die Stufe der „Menschheit“ (als Überganzes der Kulturkreise) ist ja immer-
hin kein ganz leerer Wahn, denn ein letztes Menschliches ist ja auch zwischen
Negern, Indern, Griechen und Germanen; aber sie hat nicht entfernt jene um-
fassende und konkrete Ausgliederungsfülle, welche ihr seichte Aufklärer, unge-
schichtliche Pazifisten und törichte politische Damen heute gar leichthin zu-
sprechen. Die Menschheit sowohl wie der Kulturkreis selbst schließen nur einen
allerletzten Kern des Geistigen in sich. Was ist z. B. Menschheitsreligion, mensch-
liche Kunst? — was ist aber auch die Kunst der großen Kulturkreise, z. B. Asiens,
Afrikas oder selbst des „Abendlandes“, in welchem Dostojewski und Tolstoi
gegen Goethe und Romantik, gegen Voltaire und Racine je eine eigene geistige
Welt bezeichnen, die miteinander wenig zu schaffen haben? Erst der völkische
Stufenwert macht die reinen Teilinhalte zu konkreten, voll gearteten. Alle höhe-
ren Stufenwerte sind abgeblaßt und auf einen kleinen Kern zusammengepreßt;
alle niederen Stufenwerte bringen zwar weitere Besonderung (Konkretisierung),
aber vornehmlich als Verengung und Beschränkung.
Was weiter die obigen Sätze anbelangt, so ist es klar, daß sie
formell für jeden Teilinhalt gelten, z. B.: übervölkische Kirche geht
vor völkischer Kirche; übervölkische Standesverbindung (alte
Hansa, übervölkischer Kartell- und Gewerkschaftsverband) geht vor
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Siehe oben S. 146.