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Erst dieser Satz, daß der Vorrangbereich oder die Ausgliederungs-
fülle der Überganzheit nicht überall gleich sei, lehrt die Vor-
rangsverhältnisse im Stufenbau ganz verstehen und würdigen. Da
ferner, wie erwähnt, die Erkenntnis des jeweiligen Umfanges der
Ausgliederungsfülle nur durch Beobachtung und Erfahrung mög-
lich ist, so wird mit dem Begriffe der „Ausgliederungsfülle“ das
e m p i r i s c h - a n a l y t i s c h e V e r f a h r e n in alle ganzheit-
liche Wissenschaft eingeführt! Insbesondere sind mit ihm auch in die
Gesellschaftslehre und die besonderen gesellschaftlichen Wissenschaf-
ten alle jene erfahrungsmäßigen und geschichtlichen Bestandteile
eingeführt, die ihnen unentbehrlich sind, wenn sie über die rein
spekulative Grundlage hinauskommen und Wissenschaften von der
lebendigen Wirklichkeit geschichtlichen Geschehens werden wollen.
Dennoch liegt in solcher planmäßiger Aufnahme der erfahrungs-
mäßigen Zergliederung nicht etwa ein Rückfall in das sogenannte
„induktive Verfahren“, das für die Geisteswissenschaften überall
eine Barbarei ist. Denn die Erforschung der Vorrangverhältnisse
bleibt stets ein Eindringen in ein Geistiges, in das innere Wesen des
Gegenstandes, ein Verstehen seines Sinngehaltes.
Zur Kennzeichnung der Stufen in der absteigenden Gliederung
von Gattung und Art ist es nötig, daß man sich über ihre Eigen-
schaft, die Erscheinungsstätte, gleichsam der Mutterschoß für die
abgezogenen, artlosen Teilinhalte zu sein, vollständig klar werde.
Hier ergibt sich für den Begriff der Stufe der Satz:
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Nur dasjenige darf als vollwertige Stufe in der Tiefenglie-
derung der gesellschaftlichen Ganzheit aufgefaßt und demgemäß
mit einem eigenen Vorrang begabt gedacht werden, was grundsätz-
lich alle Teilinhalte in sich vereint. Solche Fragen können aber, das
liegt am Tage, nicht rein theoretisch entschieden werden, sondern
ihre Lösung muß auf Grund einer zergliedernden Untersuchung, die
sich auf den geschichtlichen und völkerkundlichen Erfahrungsstoff
stützt, erfolgen.