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heißt, die Wirtschaft soll nur gültigen Zielen dienen (welche z. B.
bei asketischer Lebensgestaltung andere sind als bei hedonistischer).
Wie ersichtlich, wurden bisher für die Aufgaben, Vollkommen-
heiten und Tugenden der gesellschaftlichen Gebilde noch nicht ein-
mal feste Namen geprägt — so sehr war alle wissenschaftliche Ethik
bisher bloße Individualethik. Aber die obigen Beispiele zeigten
klar: a u c h d i e G e m e i n s c h a f t e n u n d A n s t a l t e n
h a b e n i h r e G ü t e r u n d T u g e n d e n !
Die soeben überblickten Gebilde des Handelns zeigen sich alle
im S t u f e n b a u, z. B. in überstaatlichen Verträgen, Staat, in den
Unterganzheiten des Staates (bis zur Gemeinde) und so fort.
Gleichwie das Handeln eine Vollendung des Geistes ist, so auch
die Gebilde des Stufenbaues. Diese Gebilde sind daher auch ur-
sprüngliche Güter, gleich den geistigen Gütern. „Kirche“ ist kein
äußerliches Mittel für die Religion, sondern schöpferische, han-
delnde Entfaltung, Vollendung des Religiösen; Staat ist kein äußer-
liches Mittel, sondern schöpferische Entfaltung des von ihm organi-
sierten geistigen Inhaltes, das ist des gesamten sittlichen Lebens.
Diese Gebilde sind daher nicht abgeleitet. Sie s i n d u r -
s p r ü n g l i c h e G ü t e r , a b e r s i e f o l g e n i h r e m
G e i s t u r s p r ü n g l i c h e n . Kirche folgt der Religion, Staat
dem gesamten sittlichen Leben, das selber allerdings kein Geist-
ursprüngliches ist, aber überall das Geistursprüngliche in seiner
Vollkommenheit wieder herstellen will. Es ist dies ein Verhältnis
der Z u o r d n u n g . Die Vorrangverhältnisse sind demnach mit
dem Satze gegeben: Handeln folgt im Range dem Geistigen, das es
entfaltet
1
.
C.
Die S i n n l i c h k e i t
Für die Sinnlichkeit, umfassend die physiologischen Lebensvor-
gänge (leibliche Vitalität) und die Geschlechtlichkeit, ergibt sich als
Gut: die s i n n l i c h e L u s t (Hedonismus, Utilitarismus, Sen-
sualismus). Diese pflegt nach empiristischer Überlieferung rein sub-
jektiv aufgefaßt zu werden
2
.
1
Siehe oben S. 146.
2
Hinweis auf die geistige Freude und geistige Glückseligkeit, siehe oben
S. 48 f.