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Indem die Gesellschaftslehre bei der Zergliederung des objektiven Geistes mit

seinem unerschöpflichen geschichtlichen Reichtume die reinen Teilinhalte unter-

scheidet, wird die e r s t e K o n k r e t i o n des geistigen und handelnden Le-

bens erzielt. Indem aber die Teilinhalte auf allen Stufen zwar wiederkehren, aber

stets in anderer Ausprägung, das heißt mit anderen Stufenwerten, wird dadurch

die z w e i t e K o n k r e t i o n erzielt; indem von allen Stufen zu den l e t z -

t e n G l i e d e r n , den einzelnen Menschen, herabgestiegen wird, wird endlich

die d r i t t e u n d l e t z t e K o n k r e t i o n erzielt. Mit d i e s e r l e t z t e n

K o n k r e t i o n i s t d i e V e r b i n d u n g m i t d e r s u b j e k t i v e n G e i -

s t e s l e h r e u n d S e e l e n l e h r e h e r g e s t e l l t , wodurch besonders die

Tugendlehre erst jene Grundlage erhält und jener bestimmten Ausgestaltung

fähig wird, die sie braucht.

Aber nicht nur die Verbindung mit dem subjektiven Geiste tut der Sitten-

lehre not, auch die Verbindung mit der Lehre vom Gefüge und vom Aufbau,

ja sogar von der technisch-stofflichen Grundlage der gesellschaftlichen Gebilde.

Der Staat zum Beispiel braucht den Boden als Standort und Grundlage, er braucht

ein „Gebiet“. Ohne das geographisch-klimatische Gebiet kann der geschichtliche

Staat nicht verstanden werden und können auch bestimmte Gebote und innere

Lebensnotwendigkeiten, als sachliche Erfordernisse der Sittlichkeit, nicht ver-

standen werden.

Den Rang der sittlichen Güter, welche in der Gütertafel auf-

treten, entscheiden die Vorrangsätze

1

. Der Rang der Tugenden

folgt dem Range der Güter. Sowohl aus den Vorrangsätzen wie

aus dem Ganzheitsbegriffe überhaupt folgt, daß das jeweils höhere

Gut in allen niederen enthalten ist. Freilich nicht in dem pantheisti-

schen Sinne, daß das Höhere in das Niedere ausflösse; denn das

Ganze geht in den Gliedern nicht unter!

Die entscheidende Bedeutung des höheren Gutes für das niedere,

der höheren Tugend für die niedere, ist grundlegend für jede Sitten-

lehre. Ohne daß die verhältnismäßig selbständige Bedeutung der

niederen Teilinhalte, zum Beispiel der Sinnlichkeit, und niederen

Stufen, zum Beispiel der Gemeinde gegenüber dem Staate, oder

der stofflich-technischen Unterlagen der Gesellschaft, zum Beispiel

der natürlichen Bodengrundlage der Wirtschaft und der der geo-

graphisch-klimatischen Verhältnisse überhaupt, auch nur im gering-

sten verkürzt oder geleugnet würde, zeigte sich doch deutlich, daß

überall das Höhere für die besondere Gestaltung und Eingliederung

des Niederen maßgebend wird, diesen das Maß, damit auch die

richtige Mitte zwischen Extremen gibt.

Die B e g r i f f e „ M a ß “ u n d „ r i c h t i g e M i t t e “

(μεσό-

1

Siehe oben S. 124 ff. und 192 f., unten S. 233 ff.