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theistische Weise, sondern wie der Schöpfer im Geschöpfe, aber zu-
gleich transzendent); darum das Metaphysische am Grunde jedes
Vollkommenheitsgutes liegt. Ebenso muß die höchste Form des
Handelns in den niederen Formen enthalten sein. Daher Heiligkeit
und Heldentum als die höchsten Tugenden in allen niederen, als die
allgemeinsten in allen besonderen notwendig als Keim enthalten
sind.
Damit ist auch der Unterschied der höchsten Tugend vom Tu-
g e n d g r u n d e bezeichnet. Letzterer ist der Mutterboden der
Tugenden, ja die Grundlegung der Sittlichkeit überhaupt: Liebe und
Mittewendigkeit, Heiligkeit und Heldentum sind die letzte Stufe,
sind der Gipfel, die höchste Ausbildung der Tugenden.
VI. Die Vorrangverhältnisse
1
Aus der Entwicklung der Grundbegriffe und der Grundbestand-
teile der Sittlichkeit, wie wir sie bisher durchführten, ergeben sich
von selbst die Vorrangverhältnisse, die zwischen ihnen bestehen.
Sie werden durch folgende zum Teil schon in anderem Zusammen-
hange entwickelte Sätze bezeichnet:
1.
Das V o 11 k o m m e n h e i t s g u t o d e r s e i n b e -
g r ü n d e n d e G u t i s t v o r d e m H e i l s g u t ;
2.
d a s H e i l s g u t i s t v o r d e m ä u ß e r e n M i t t e l
o d e r w i r t s c h a f t l i c h e n G u t e ;
3.
G u t i s t v o r T u g e n d ; denn das Vollkommene ist vor
dem Unvollkommenen. Die Wissenschaft steht vor der Beflissen-
heit des Lernenden;
4.
der erlangte Zustand der verhältnismäßigen Vollkommenheit
oder s i t t l i c h e E n d z u s t a n d i s t v o r d e m u n v o l l -
k o m m e n e n Z u s t a n d e , d e r a m B e g i n n s t e h t : Idea-
ler Endzustand ist begrifflich vor Ausgangszustand. Auch hier liegt
die Begründung in dem Satze: das Vollkommene ist vor dem Un-
vollkommenen, das Ideal vor der Wirklichkeit. — Der Zeitfolge
nach, genetisch, gilt allerdings das Umgekehrte, hier geht der un-
vollkommene Ausgangszustand dem vollkommenen Endzustande
voran. — Ferner gilt
1
Siehe oben S. 117 ff., 192 f. und 228 ff.