[155/156]
241
schränkung. Diese nicht anzuerkennen wäre Auflehnung, tolles
Vermessen. Darum, wer nur um seinetwillen leidet, dem tut es weh,
und es ist ihm unerträglich. Er hat auch wenig Frucht davon. Wer
aber mit um ein Höheres leidet, der vermag es auch auf sich zu neh-
men und zieht daraus die Frucht. Das Leiden läutert durch den
lebenskräftigsten Hinweis auf Höheres den Einzelnen von Unglied-
haftem, zeigt ihm die Vergänglichkeit alles dessen, was nicht im
Höheren und zuletzt im Ewigen gründet. Und gerade damit reizt
es auch neue Kräfte hervor.
Das eben ist das Schöpferische aller Richtung auf das Vollkom-
mene, daß sie Unvollkommenes überwinde, indem sie neue Kräfte
in Dienst stellt. Das kann nicht wie durch eine äußere, mechanische
Verbesserung geschehen, sondern nur durch innere Reinigung von
Unvollkommenem, welche nicht ohne Leiden ist; / Entfaltung neuer
Kräfte, welche neuen Kräften aber nur durch eine schöpferische Tat
gewonnen werden können. Zu dieser neuen schöpferischen Tat be-
darf es der Anstrengung, des Aufrufes, des Anreizes — und das
leistet wieder Leiden.
Hierin offenbart sich auch, wie es zugeht, daß fruchtbares Leiden
F ü l l e gibt, mit der Fülle aber Freiheit. Leiden gibt Fülle, denn es
schließt den Sinn und das Innere vieler Dinge auf, die vorher nur
äußerlich genommen wurden. Nur wer gelitten hat, weiß etwas vom
Leben, von der Welt. Nur wen die Welt enttäuscht hat, der kennt
sie auch von der anderen Seite.
Durch die Fülle gibt Leiden Freiheit. Denn dort, wo alle inneren
Kräfte in Tätigkeit und Ausbildung kommen, sei es auch durch
Schmerzen hindurch, nur dort kann sich die Kraft des Geistes, kann
sich Freiheit entfalten.
Auch schon im H a n d e l n liegt dem Begriffe nach ein Leiden,
daher seine höchste Form das Heldische ist. Leiden ist nicht reines
Erdulden. Der Stumpfe leidet nicht. Echtes Leiden heißt innere
Spannkraft haben und den inneren Kampf aufnehmen.
Der Sinn des Leidens ist den großen schauenden Menschen am
besten bekannt. Eichendorff sagt: „Von allen guten Schwüngen —
Zu brechen durch die Zeit — Die mächtigsten im Ringen — Das ist
ein rechtes Leid.“ Die hl. Therese: „Zu glauben, daß Gott zu seinem
vertrauten Umgange Leute zulasse, welche die Gemächlichkeit su-
16 Spann, 11