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Durchführung nach). Diese Umbildung, Umschaffung ist Erziehung,

Um-Erziehung aus eigener Kraft — eigener Freiheit!

In der sittlichen Ausbildung darf man ebensowenig den zweiten

Schritt vor dem ersten machen wie in der Schlacht!

Daß es ganz bestimmte Wege, Verfahren der Sitten- und Geistes-

bildung gebe, war allen Zeiten bekannt, wie die uralte Unterschei-

dung der Wege der Reinigung, Erleuchtung und Einigung (Via

purgativa, Via illuminativa, Via unitiva) beweist. Ihnen war daher

auch bekannt, daß der Mensch seine Freiheit auf a l l e n S t u f e n

arteigen gebrauchen müsse; und daß er nur dann anders h a n -

d e l n könne, wenn er zuvor anders gedacht, anders gestaltet, an-

ders seine Sinnlichkeit gebildet habe! Erst unserer Zeit war es Vor-

behalten, diese Erkenntnis zu verlieren und an ihre Stelle die

plumpe Lehre von der Determination des Willens durch die

„ L u s t - u n d U n l u s t g e w i c h t e “ der Vorstellungen, welche

dadurch zu „Motiven“ würden, zu setzen.

Nicht ein abstrakter „Wille“ ist es also, der „frei“ ist, noch uns

frei macht; sondern eine bestimmte, eine a r t e i g e n e Freiheit

auf allen Teilinhalten und Stufen des Geistes — wir können auch

sagen eine reale Freiheit, keine allgemeine. Je mehr sich diese Frei-

heit erbildet, je Höheres sie schaut, denkt, gestaltet, umso stärker

sind wir — und dadurch frei.

Diese Fälle der Freiheit meint denn auch der Sprachgebrauch,

wenn er z. B. von einem Menschen der Gesellschaft sagt, er könne

sich in allen Formen, oder von einem Künstler, er könne sich auf

allen Gebieten frei bewegen. Wer eine schwierige geistige Arbeit

infolge einer Störung mit Heiterkeit unterbricht, der hat Sicher-

heit, der hat Freiheit — nicht durch eine in der Luft hängende Wil-

lensentscheidung, sondern durch die Fülle innerer geistiger Tätig-

keiten, die, kräftig ausgebildet, überall leicht ausgesetzt werden

können, überall selbstsicher, frei bleiben. Auch der wahre Erzieher

verlangt von seinem Zöglinge keine abstrakte Freiheit, sondern eine

bestimmte, zu der hin er ihn erst bilden muß! Und dasselbe tut die

richtige Strafrechtspflege.

So das Leben überall! Es gibt nicht eine einzige, allgemeine Frei-

heit, es gibt viele a r t e i g e n e Freiheiten; es ist nicht eine ab-

strakte, eine allgemeine Freiheit, sondern es sind lauter gliedhafte,

arteigene Freiheiten, die der Mensch in sich ausbilden muß. Und es