Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5119 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5119 / 9133 Next Page
Page Background

[156/157]

243

Wie selten erklingen darum Töne nach Art des Liedes „Freude,

schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium“ von Schiller im Leben,

in der Dichtung, sogar in der ätherischesten der Künste, der Musik.

Freude schließt alles Hohe und Höchste in sich, Liebe und innere

Erfahrung Gottes. Denn Freude ist Mitfreude, Mitfreude ist Liebe,

Liebe die Einheitserfahrung der Wesen; solche Liebe zu allen Wesen

steigert sich zum Ergreifen der Gegenwart Gottes in ihnen, sie be-

rührt das Vollkommene, Göttliche; dadurch wird sie schöpferisch.

Das alles verkündet Schiller in seinem Gedichte, das in der Welt-

literatur einzig dasteht:

Seid umschlungen Millionen!

Diesen Kuß der ganzen Welt

Und von selber bricht daraus der Jubelruf hervor:

Brüder — überm Sternenzelt

Muß ein lieber Vater wohnen.

Vertrauen wir uns Schillers Dichtung an, so finden wir alle

Begriffselemente der Freude lebendig entwickelt und erfahren ganz,

was Freude sei. Freude hebt die Liebe auf den Gipfel menschlichen

Vermögens, zur Kraft der Vergebung, sie hebt den Menschen auf

wahrhaft göttliche Höhe:

Göttern kann man nicht vergelten,

Schön ists, ihnen gleich zu sein.

Gram und Armut soll sich melden,

Mit den Frohen sich erfreun.

Groll und Rache sei vergessen,

Unserm Todfeind sei verziehn;

Keine Träne soll ihn pressen,

Keine Reue nage ihn.

Schiller entdeckt auch das Schöpferische der Freude. Er feiert sie

als das Ziel aller Wesen, der Natur sowohl als des Geistes;

der Natur:

Freude heißt die starke Feder

In der ewigen Natur...

Blumen lockt sie aus den Keimen,

Sonnen aus dem Firmament...;

des Geistes:

Froh, wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmels prächt’gen Plan,