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NACHWORT

von

Josef Lob

I. Die Stellung der „Gesellschaftsphilosophie“ im Gesamtwerke

Othmar Spanns und ihre geistesgeschichtliche Würdigung

Es gibt in der Wissenschaft eine schlechte und eine richtige Ak-

tualität. Jene hält engen Kontakt mit der herrschenden Meinung der

Zeit. Sie bestätigt und beruhigt den Zeitgeist durch die Auswahl der

zu erforschenden Tatsachen und durch immer geschicktere Formu-

lierungen der allgemeinen Überzeugung. Die andere Aktualität aber

kommt von der Prüfung der Tragfähigkeit der Grundlagen des

Zeitgeistes.

Das Werk Othmar Spanns ist nur in d i e s e m Sinne aktuell.

Dies gilt besonders von seiner „Gesellschaftsphilosophie“. Spann

prüft die geistigen Grundlagen der Gesellschaft und der Gesell-

schaftswissenschaften und zieht daraus die notwendigen Folgerun-

gen. Dadurch wird sein Werk zu einer Auseinandersetzung mit der

Lehrgeschichte der Gesellschaftsphilosophie und besonders ihrer

Lehrgeschichte in neuerer Zeit. Diese Auseinandersetzung weist

einen kämpferischen Zug auf, und das Werk Spanns ist selbst um-

kämpft: mit Begeisterung vertreten und mit Fanatismus bekämpft.

Dieser Kampf Spanns ist aber nicht der Ausdruck einer gesuchten

Originalität; er ist zeitgeschichtlich notwendig, weil der Geist des

20. Jahrhunderts zutiefst unphilosophisch ist und die Verbindung

mit der großen philosophischen Tradition weitgehend verloren

hat. Zu dieser Tradition bekennt sich Spann mit den Worten: „Es

gibt überhaupt keine neue Grundwahrheit in der Geschichte der

Philosophie

1

.“

Die große und immer noch gültige Tradition ist für Spann die

Tradition der idealistischen Philosophie im Gegensatze zur mate-

1

Othmar Spann: Der Schöpfungsgang des Geistes (= Ergänzungsbände zur

Sammlung Herdflamme, Bd 3), Jena 1928, S. XXIV.