Table of Contents Table of Contents
Previous Page  5177 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5177 / 9133 Next Page
Page Background

301

Volk sich die Definition dessen gibt, was es für wahr häl t. .. Die

Vorstellung von Gott macht somit die allgemeine Grundlage eines

Volkes aus. .. Freiheit kann nur da sein, wo die Individualität als

positiv im göttlichen Wesen gewußt wird

1

.“ Und schließlich Franz

von Baader: „Das ganze Reich Gottes hat keinen anderen Sinn, als

die Menschen in eine wahrhaft organische Innung zu bringen, und

zwar, weil nur in dieser lebendigen Gemeinschaft Gott alles in

allem geworden ist als der eine und derselbe Lebensgeist, der sich in

jedem auf einzige Weise manifestiert. Und deshalb bedarf jeder

aller anderen, um die Totalität der Manifestation Gottes zu bewerk-

stelligen. Jeder ist unentbehrlich, denn jeder hat eine andere Auf-

gabe. Auf diesem Geheimnis der Manifestation Gottes beruht die

Conjunctio in solidum der Menschheit

2

.“

Diese und ähnliche Zitate aus der großen philosophischen Tradi-

tion, auf die sich Othmar Spann immer wieder beruft, sollten alle

Mißverständnisse beseitigen, wenn nur allseits der aufrichtige Wille

dazu bestünde. Dem auffälligen Beharren der meisten modernen

Autoren in diesem Mißverständnisse entspricht eine ebenso auf-

fällige Nachsicht gegenüber dem wahren Kollektivismus.

Für jede universalistische Philosophie ist auf Grund des Aus-

ganges von Gott vor die empirische Gesellschaft eine intelligible

Welt, das Ideenreich gesetzt. Othmar Spann bekennt sich zu dieser

Tradition und schließt sich eng an die Platonische Lehre vom Ideen-

reiche an, auch in der Darstellung des Verhältnisses der Ideen zu

Gott: „Die Ideen sind ... nicht das Letzte. Höher steht Gott, der

jenseits der Ideen, der ihr Schöpfer ist

3

.“

Mit der Platonischen Ideenlehre des objektiven Idealismus, zu

der sich auch Augustinus, der mittelalterliche Universalismus, Leib-

niz, Kant und andere bekennen, beginnt die große philosophische

Tradition.

Leibniz sagt: „Jeder Geist ist in seinem Bereiche eine kleine

senschaften im Grundrisse, in zweiter Auflage neu herausgegeben von Georg

Lasson (= Philosophische Bibliothek, Bd 33), Leipzig 1920, Einleitung, § 1.

1

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte, mit einer

Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Friedrich Brunstäd (= Reclams

Universalbibliothek, Bd 4881—4885), Leipzig 1907, S. 101 f.

2

Franz von Baaders Schriften zur Gesellschaftsphilosophie, herausgegeben

von Johannes Sauter (= Die Herdflamme, Bd 14), Jena 1925, VIII, S. 73 f.

3

Othmar Spann: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 451.