299
gendwelchen außerwissenschaftlichen Bedürfnissen des Subjektes
ontologische Qualität unterstellt. Ideen sind nach Spann wirkliche
metaphysische Mächte. Die Idee ist „nichts anderes als die übersinn-
liche Schaffenskraft, die über oder in den Dingen waltet“
1
. Die
Ideen sind „Wesen und Substanz“
2
. Sie sind das wesenhafte Sein.
Weil die Dinge nur durch die Teilnahme an den Ideen bestehen,
sind die Ideen die „Muster und Vorbilder“
3
. Die Idee als Gedan-
kending schließt zugleich den Allgemeinbegriff in sich
4
.
Diese Ideenlehre schließt sich eng und klar ausgesprochen an die
Ideenlehre Platons an und wird von Othmar Spann weitgehend mit
den Worten Platons dargestellt. Spann nimmt aber an der Platoni-
schen Ideenlehre — diese fortbildend — zwei Korrekturen vor, die
gerade für die Gesellschaftsphilosophie von größter Bedeutung und
überdies geeignet sind, viele Schwierigkeiten einer idealistischen —
also ideenbestimmten — Gesellschaftslehre zu vermeiden:
1.
Der Umfang des Ideenbegriffes wird in der Weise einge-
schränkt, daß als Ideen nur S t u f e n d e s g e i s t i g e n Seins gel-
ten können. Daher scheiden die Begriffe der Mathematik und Geo-
metrie ebenso aus wie die abstrakten Allgemeinbegriffe, die nach
der ganzheitlichen Logik teilinhaltliche Begriffe genannt werden
5
.
Dazu gehören Begriffe wie Sittlichkeit, Recht und Wirtschaft —
also Grundbegriffe der Gesellschaftswissenschaften. Von einer
„Rechtsidee“ im Sinne der Neukantianer kann daher in der ganz-
heitlichen Philosophie nicht gesprochen werden. Damit wird einer
seinsfremden Hypostasierung abstrakter Denkgebilde der Boden
entzogen.
2.
Andererseits erweitert Spann den Umfang des Ideebegriffes
gegenüber der Platonischen Ideenlehre über die Allgemeinbegriffe
der Aristotelischen Logik und die Universalien der mittelalterli-
chen Philosophie hinaus, indem er auch Ideen von Einzelwesen an-
erkennt. Es gibt demnach auch von jedem Einzelmenschen eine
Idee, ein metaphysisches Zentrum (unsterbliche Seele), welches
ebenso wie die Universalien (im überlieferten Sinne) dem Ideen-
1
Othmar Spann: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 449.
2
Othmar Spann: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 451.
3
Othmar Spann: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 452.
4
Othmar Spann: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 453.
5
Othmar Spann: Ganzheitliche Logik, Eine Grundlegung, aus dem Nachlaß
herausgegeben von Walter Heinrich, Salzburg, Klosterneuburg 1958, S. 120 ff.