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Zukunft wenigstens eine Spanne weit voraussehen, um überhaupt
planen, wollen, handeln zu können.
Hierin liegt auch eine innere Zwieschlächtigkeit der Zeit, auf die wir später
noch stoßen werden
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IV.
Gang und Gesetz der Geschichte
A. Der A n f a n g
Die Verzeitlichung, wie wir sie betrachteten, weist uns auch auf
die Frage nach dem Anfange der Umgliederung den Weg. Diese
Frage wird heute, wie selbstverständlich, von einem naturalistischen
Standpunkte aus gestellt. Es bedarf daher der Prüfung, in welchem
Sinne die Frage des Anfanges überhaupt und insbesondere des An-
fanges der Menschheit gestellt werden könne.
Der Begriff eines Anfanges auf der zeitlichen Ebene zeigte sich
schon früher als ein Widerspruch in sich. Auf der zeitlichen Ebene
muß alles auf einen früheren Zustand gleicher Ebene zurückführen.
Ein „Anfang“ in der Zeit führt immer auf einen noch früheren
Anfang, einen noch früheren Zustand und so ohne Ende („schlechte
Unendlichkeit“ Hegels). Anfang ist nur möglich durch Aufstieg in
eine höhere Ordnung, eine höhere Ebene des Seins. Auch in der
Naturforschung bewährt sich dieser Satz. In der Frage der Entste-
hung des Organischen z. B. kann man nur dann, wenn das Orga-
nische wesentlich als Chemismus gefaßt wird, die Zurückführung
des Organischen (das heißt des Hochkomplex-Chemischen) auf einen
„Anfang“, nämlich einen einfacheren Chemismus versuchen. Ge-
länge das — die „Urzeugung“ im materialistischen Sinne — auch
dann hätte man eben darum einen grundsätzlichen Anfang nicht,
denn der Chemismus ist schon da und es wird nur einer auf einen
anderen zurückgeführt.
Ein Anfang der Zeit ist nie in der Zeit möglich; ein Anfang der
Geschichte nie in der Ebene der Geschichte selbst. Ein Anfang in
der Zeit ist nur möglich durch Rückgang auf ein Überzeitliches.
Dasselbe lehrt ja auch der Schöpfungsbegriff, Schöpfung führt in
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Siehe unten S. 383.