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den Zustand vor dem Geschaffensein zurück, in einen vorirdischen
Zustand; dasselbe lehrt auch die früher betrachtete Verzeitlichung
in der Ekstase, die in der Berührung eines Überzeitlichen besteht. /
Bedenkt man das, so ergibt sich, daß die Geschichte ausschließlich
aus Rückgängen in den überzeitlichen Grund besteht, denn alles
Geistesleben ist überall verdeckte Ekstase, und daß daher die Ge-
s c h i c h t e i n j e d e m A u g e n b l i c k e n e u b e g i n n t .
Das klingt demjenigen nicht mehr überschwenglich, der den rein
zergliedernden Befund der geschichtlichen Kategorienlehre, daß in
der Geschichte S c h ö p f e r t u m am Werke sei, bedenkt
1
. —
Doch handelt es sich hier um eine besondere Frage, um den be-
stimmten Anfang in der Folge der geschichtlichen Anknüpfung an
Früheres, um den „Anfang des Menschengeschlechts“. Sucht man
ihn, so muß man daher alle naturgeschichtlichen, vorgeschichtlichen
und geschichtlichen Frageweisen beiseite lassen und die innere Be-
schaffenheit und tiefste Wurzel des Menschen erforschen. Das „Er-
kenne Dich selbst“ ist der Schlüssel für Ursprung und Gang der
Geschichte.
B. Die S p r a c h e
Durch nichts kann man dem inneren Urzustande des Menschen
so sehr auf den Grund kommen wie durch die Sprache. Wie ist die
Entstehung der Sprache denkbar?
Die Erklärung der Entstehung der Sprache durch naturalistische
Lehrbegriffe muß, das ist durch ein hundertjähriges Bemühen der
Wissenschaft erwiesen, unbedingt als gescheitert betrachtet werden.
Weder die sogenannten psychogenetischen Lehren (Reflexschreie;
Ausdruckbewegungen, Lautmalerei und Nachahmung; Mitteilungs-
bedürfnis), noch die „Erfindungstheorie“ kommt ernsthaft in
Frage. Daß einzelne große Männer die Sprache erfinden konnten,
ist ein schlechthin unvollziehbarer Gedanke; daß durch „Mittei-
lungsbedürfnis“, durch „Wechselwirkung“ die Sprache sich aus tie-
rischen Lauten immer höher entwickle, ist ein ebenso unvollzieh-
barer Gedanke. („Um mitteilen zu wollen, müßte der Mensch
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Vgl. oben S. 115 und öfters.