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β.

Erkenntnistheorie

Leibniz vertrat gegen Locke den nichtempiristischen Ursprung

der Begriffe. Es gibt „angeborene Ideen“, so erklärte er gegen

Locke, aber sie sind allerdings nicht als fertige in uns, sondern nur

virtualiter, nur als zu entwickelnde. Erst durch die sinnliche Erfah-

rung werden sie zur Wirklichkeit erweckt. Auch nach Kant sind uns

nicht die fertigen Begriffe, sondern Formen, „Kategorien“ ange-

boren, nach denen die Begriffe gebildet werden. Daher kann das

Kantische Wort: „Begriffe ohne Anschauungen sind leer, Anschau-

ungen ohne Begriffe sind blind“, als eine Erläuterung des Begriffes

der angeborenen Ideen bei Leibniz gelten. — Nach Leibniz besteht

unsere Erkenntnis: (1) Aus notwendigen, allgemein gültigen oder

Vernunftwahrheiten, „vérités de raison“, und (2) aus den von der

Erfahrung abhängigen, nicht-notwendigen oder Tatsachenwahrhei-

ten, „vérités de faits“. Demgemäß gilt zwar der empiristische Satz:

„Nichts ist im Verstande, was nicht in unseren Sinnen war“, nihil

est in intellectu, quod non fuerit in sensu; aber er ist nach Leibniz

zu ergänzen durch den Satz: A u ß e r d e m V e r s t a n d e

s e l b s t , n i s i i p s e i n t e l l e c t u s . — Der Verstand, so

kann man in Kantischer Ausdrucksweise hinzufügen, ist daher das

logische A p r i o r i , die sinnliche Erfahrung, die Tatsachenwahr-

heiten sind das A p o s t e r i o r i . — Die letzte Quelle aller Wahr-

heiten, sagt Leibniz, ist Gott.

b.

Beurteilung

Leibniz war ein Geist von überragender Genialität. Er kam auf seine Monaden

durch die Kritik des unteilbaren Atoms der Natur- / Wissenschaften. Alles Ma-

terielle, sagt er, ist aber ins Unendliche teilbar und daher stetig, womit er der

Begründer des entscheidenden Begriffes des K o n t i n u u m s wurde. In dem

Dilemma: entweder materiell und unendlich teilbar (weil stetig) oder immateriell

und unteilbar entschied sich Leibniz für das Letztere, für die immaterielle Sub-

stanz, und nannte sie „Monade“. Das war eine große Geistestat, welche von der

mechanistischen Naturauffassung, dem Materialismus abführte und zum Idealismus

hinlenkte, aber bis heute nicht genug gewürdigt wurde.

Die Schwäche in Leibnizens Monadenbegriff scheint uns aber: die Isolierung sei-

ner Monaden. Sie ergab sich besonders aus der Unmöglichkeit, so verschiedene

Wesenheiten wie Körper und Geist aufeinander wirken zu lassen. So entstand

geradezu ein geistiger Atomismus, man könnte sagen, ein Pluralismus. Der Zusam-

menhang der Monaden muß darum von Leibniz unmittelbar in Gott verlegt und

eine „prästabilierte Harmonie“ behauptet werden — beides gewaltsame Annahmen!

Ferner müßte bei solcher Isolierung das Allgemeine verloren gehen, der Nomina-