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wurde von Kant nicht mit gleicher Klarheit wie die andern behan-
delt. Erst Fichte erkannte es in seiner Grundbedeutung und nahm es
zum Ausgangspunkte der Erkenntnistheorie.
δ. Erscheinung und Ansich der Dinge
Die Kategorien gelten zwar vor aller Erfahrung (a priori), aber
nur i n n e r h a l b der Erfahrung werden sie „zur Ausübung er-
weckt“
1
. Die Kategorien, das folgt daraus, verbinden nur; der zu
verbindende Inhalt, der Stoff des Urteils, muß dagegen „gegeben“
sein, er kommt nach Kant aus der sinnlichen Anschauung. Aber die-
ses Gegebene erkennen wir niemals so, wie es an s i c h ist, stets
nur so, wie es durch unsere Kategorien (die Anschauungs- und
Denkformen) bestimmt wird, also wie es uns e r s c h e i n t . Alles,
was uns gegeben ist, was wir erkennen, ist nach Kant nur E r -
S c h e i d u n g , Phainomenon, nicht D i n g a n s i c h , Nou-
menon (sprich: no-úmenon). Das Ansich, das Transzendente, Über-
sinnliche ist jenseits unserer Erfahrung, ist, so könnten wir es er-
läutern, vor-kategorial, durch die Kategorien, die ja nur uns zuge-/
hören, wird es schon subjektiv bestimmt. Von einem Transzenden-
ten, dem Ding an sich, ist demnach keine Wissenschaft möglich. Me-
taphysik als rationale Wissenschaft ist unmöglich! — So stellt Kant
„Ding an sich“ oder „Noumenon“ (das heißt wörtlich Geistesding)
und sinnlich erfahrbare „Erscheinung“ oder „Phainomenon“
grundsätzlich einander entgegen. Das Ding an sich ist transzendent,
die Kategorien dagegen nennt Kant „ t r a n s z e n d e n t a 1“. Denn
sie sind weder „transzendent“ noch empirisch. Sie deuten zwar, das
will Kant mit dieser Unterscheidung sagen, da sie vorempirisch, a
priori sind, auf ein Übersinnliches hin, aber sie sind nur formal,
geben daher keine transzendente Inhaltserkenntnis.
ε.
Vernunftlehre
Der Verstand, das Vermögen der auf die Anschauung anzuwen-
denden Kategorien, wird überhöht durch die „Vernunft“, das „Ver-
mögen der Prinzipien“, das heißt das Vermögen, solche Schlüsse zu
1
Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, nach der 1. und 2.Original-
ausgabe neu herausgegeben von Raymund Schmidt, Leipzig 1926, S. 1 (= Philo-
sophische Bibliothek, Bd 37 d).