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Weiter entspricht bei Aristoteles der „schaffende Geist“ oder „Nus“
(νούς ποι-
ητικός),
das Vermögen unmittelbarer Erkenntnis, der Kantischen „Spontaneität“
oder „transzendentalen Synthesis der Apperzeption“. Zuletzt hängt alle Erkennt-
nis an dieser Selbsttätigkeit des Nus. Insoferne aber hier ein A n s i c h, ein
Übersubjektives im Subjekte sich zeigt, geht dieses Apriori über Kant hinaus: es
ist überindividuell, ontologisch, nicht subjektiv
1
.
F.
H ä u s l i c h e Z w i s t i g k e i t e n u n d Ü b e r e i n -
s t i m m u n g e n d e r i d e a l i s t i s c h e n P h i l o s o p h i e n
i n d e r A n n a h m e e i n e s A p r i o r i
1 . H ä u s l i c h e Z w i s t i g k e i t e n
Die Unterschiede zwischen den idealistischen Philosophien beste-
hen im Wesentlichen darin: daß das Apriori entweder nur als
subjektives / angenommen wird, so von Kant; oder als subjek-
tives und, im Sinne der Entsprechung, zugleich objektives. So von
allen ontologischen Idealisten, z. B. von Platon, Aristoteles, Fichte,
Schelling, Hegel.
In dem Unterschiede des subjektiven und objektiven Apriori ist
auch der weitere von Apriori und Idee überhaupt begründet, wie
früher bemerkt wurde
2
. — Häusliche Unterschiede bestehen fer-
ner innerhalb der Aprioristen dort, wo der Grundbegriff verhält-
nismäßig unausgeführt bleibt und nicht zu Ende gedacht wird; so
bei Sokrates, so auch bei Leibniz, dessen „nisi intellectus ipse“ eben-
falls nur Programm blieb. Kant dagegen führt das Begriffsgebäude
aus. Diesen Unterschied kann man aber noch erweitern, insofern
auch der ausgeführte Apriorismus im Verhältnis zum ontologischen
Idealismus auf halbem Wege stehen bleibt und in diesem Sinne
etwas Unfertiges, Undurchgeführtes an sich hat, wie früher gezeigt.
Aber nicht nur der Begriff der Subjektivität des Apriori, auch
der des „Ding an sich“
3
zeigte sich als eine Unfertigkeit bei Kant;
im Gefolge davon finden wir sie ferner auch in Kantens Lehre vom
„Primat der praktischen Vernunft“
4
, die auf demselben unzuläng-
1
Siehe unten S. 241 ff., ebenso des Aristoteles Lehre von den Formen, unten
S. 246 ff.
2
Siehe oben S. 86.
3
Siehe oben S. 105 f.
4
Siehe oben S. 114.