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deren sich ableitende, sondern von s i c h s e l b e r h e r k o m -
m e n d e Anfang muß immer wieder gemacht werden. Er zeigt
sich darin, daß unser Ich eine ursprüngliche, von nirgendsher ge-
liehene Selbstwirksamkeit, Selbstregsamkeit, Freitätigkeit auf-
bringe.
Daß wir im logischen Denken und Schließen, ferner im Wollen
und Handeln geistig t ä t i g sind, lehrt uns zunächst die S p r a -
c h e . Die deutsche Sprache sagt so bezeichnend, daß wir uns beim
Denken etwas vor- s t e l l e n ; und daß wir sogar beim sinnlichen
Eindruck den Reiz auf- f a s s e n . Ohne jede Tätigkeit, die im Vor-
s t e l l e n und Auf- f a s s e n liegt, ist weder Denken noch Emp-
finden möglich. Diese Aktivität muß aber der Geist aus s i c h
s e l b s t aufbringen, er muß aus sich selbst heraus die Tat des Vor-
s t e 11 e n s und Auf- f a s s e n s aufbringen. Und eben dieses
Aus-sich-selbst-Entspringen des Geistes, eben das ist die Selbstset-
zung.
Daß auch die S i n n e s e m p f i n d u n g ohne Tätigkeit, Selbstsetzung nicht
möglich sei, dafür ein handgreifliches Beispiel: Wer in eine Arbeit versunken ist,
hört die Uhr nicht schlagen. Der Sinneseindruck war vorhanden, die Reize wirkten
auf Sinnesorgane und Nervenzentren ein, aber der Geist, anderwärts beschäftigt,
konnte die Anregung des Reizes nicht e r g r e i f e n , den Eindruck nicht
auf f a s s e n ! Noch deutlicher ist der Fall, daß man, in die Arbeit versunken, die
Uhr zwar kaum schlagen hört, während sie schlägt, aber nachträglich, von der Ar-
beit aufsehend, sich zurück versetzt, erfaßt, daß sie soeben geschlagen habe. Die
T o n e m p f i n d u n g muß also durch unsere eigene, von uns selbst (auf Grund
der Reiz-Anregung) aufzubringende Tätigkeit des Nachschaffens g e s e t z t
werden. Der Sinneseindruck war da, aber ohne die S e t z u n g durch unsere
eigene Tätigkeit konnte die Empfindung nicht zustande kommen. Den Sinnesreiz
gegeben, sind also wir selbst es, welche die Tonempfindung s e t z e n
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Die neuzeitliche, zum Teil noch immer von der Assoziationsmechanik be-
stimmte Seelenlehre verdeckt diesen Sachverhalt, indem sie Fachausdrücke ein-
schiebt, welche die Hauptsache, den Selbstsetzungsvorgang, verdunkeln. Sie sagt
etwa, daß „die Aufmerksamkeit gewisse Zustände klarer hervorhebe“ oder daß
„die Eindrücke zentriert werden müssen“ und dergleichen mehr. Diese Redeweise
ist oberflächlich und irreführend. Sie s e t z t v o r a u s , w a s f a l s c h i s t ,
nämlich daß das Ich, wie Hume sagte, ein „Bündel“ von Vorstellungen wäre, daß
also die Vorstellungen z u e r s t da wären und n a c h t r ä g l i c h „zentriert“
wurden; oder daß sie zuerst da wären und hinterdrein die Aufmerksamkeit auf
sie „gerichtet“ würde, sie erhelle, als ob sie ein Scheinwerfer wäre, der auf die
schon vorhandenen Vorstellungen Licht würfe! Das hieße aber behaupten, daß
die „Bewußtseinszustände“ da wären, bevor das Ich sie erzeugte!
Das ist von Grund auf unrichtig. Man kann die Aufmerksamkeit in Wahrheit