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lichen Begriffe des Wissens, welches das Ansich der Dinge nicht er-
reiche, beruht (dagegen bei Platon und Aristoteles: Primat der Er-
kenntnis, der bei Fichte: der Selbstsetzung; bei Meister Eckehart:
des Seelengrundes, aus welchen beiden sowohl Erkenntnis wie Wille
erst folgt, was nicht mehr in grundsätzlichem Widerspruche zu Pla-
ton und Aristoteles steht); endlich faßt Kant auch die „Spontanei-
tät“ als bloße „Synthesis“, was ein Nachträgliches in sich schließt,
statt der Selbstsetzung, die Fichte lehrte. — Die Verschiedenheiten
zwischen Apriorismus und entfaltetem Idealismus beziehen sich also,
wie ersichtlich, wesentlich nur auf die D u r c h f ü h r u n g der
grundlegenden Begriffe.
2. Die Ü b e r e i n s t i m m u n g e n
Die häuslichen Zwistigkeiten heben sich auf dem Hintergrund
der Übereinstimmungen ab. Auf diese ist daher nur noch vervoll-
ständigend hinzuweisen.
Der Begriff des Apriori in dem allgemeinsten Sinne der Selb-
ständigkeit des Geistes und seiner Selbsttätigkeit (Spontaneität) ist
sowohl den im engeren Sinne apriorischen wie auch allen anderen
idealistischen Lehr- / gebäuden eigen. Demgemäß wird auch über-
all, trotz verschiedener Form und Entwicklung der Lehrbegriffe,
grundsätzlich angenommen: daß im Geiste die Einheit der Vielheit
liege; ferner daß der Geist selbst die tätige Form oder Weise her-
vorbringe, welche dem Denken und seinen Begriffen, dem Wollen
und seinen Zielen, dem künstlerischen Bilden und seinen Gestaltun-
gen zugrunde liegt, endlich die Lehre, daß das Wissen nicht nur aus
der Erfahrung stamme, daß desgleichen das Gute nicht nur vom
Nützlichen und die Schönheit nicht nur von der Lust stamme. Das
alles ist den idealistischen Lehrgebäuden gemeinsam. — Auch lehr-
geschichtlich liegt es, wie schon gezeigt, klar am Tage. Bei Sokrates
finden wir die Annahme, daß die Fähigkeit, das Allgemeine zu er-
kennen, in einem Ursprünglichen des Geistes und nicht im Stoffe
der Erfahrung liege (die nähere Ausführung scheint aber unterblie-
ben zu sein). Bei Platon ist das festgehalten, aber darüber hinaus ein
zugleich subjektives und objektives Apriori insofern gegeben, als
Geist und Seele des Menschen ideenverwandt sind, wodurch die
ideenbestimmte Welt der Gegenstände erkennbar wird. Die Ideen-