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nicht mehr als das Indifferente, sondern als das mit Ideen Erfüllte
gefaßt; und als dasjenige, in welchem die Ideen abfallen; durch wel-
chen Abfall die jetzige Welt entsteht, und wodurch eine Geschichte
der Welt, die erlöst, die zurückgebracht werden muß, entsteht. Die
Weiterverfolgung dieser Gedanken liegt in dem seinerzeit viel ge-
rühmten Werk „Untersuchungen über das Wesen der menschlichen
Freiheit“ (1809) und in der leider erst nach Schellings Tode erschie-
nenen „Philosophie der Mythologie und Offenbarung“.
Anders Hegel. Älter als Schelling, tritt er doch erst später auf und
geht von diesem aus. Er beginnt mit Schellings Identitätsphilo-
sophie, welche „dem subjektiven Subjektobjekt (Fichtes), das objek-
tive Subjektobjekt in der Naturphilosophie (Schellings) entgegen-
stellt und beide in einem Höhern, als das Subjekt ist, vereinigt
darstellt“ und in welchem „beide Entgegengesetzte ... als Subjekt
und Objekt auf- / gehoben werden, indem sie identisch gesetzt
sind.“
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Schnell geht auch Hegel den Weg Schellings, die bloße „In-
differenz“ des Absoluten aufzulösen, jedoch faßt er die Aufgabe an-
ders an. Er läßt den Identitätsbegriff bestehen, unternimmt es aber,
das Absolute, welches schon von Schelling als Vernunft bestimmt
wurde, auch streng logisch als Vernunft zu entwickeln. Indem er es
nicht bei der „intellektuellen Anschauung“ Schellings, als dem Aus-
gangspunkte für alles Weitere, bewenden ließ, sondern die Frage
stellt: Was ist die absolute Vernunft?, forderte er zu ihrer Auflö-
sung eine Wissenschaft, welche die Identitätslehre logisch begründet,
mit einem Worte eine Grundwissenschaft, welche vor die Natur-
und Geistesphilosophie tritt und nicht in den Allgemeinheiten
Schellings stecken bleibt. Er nannte sie Logik.
Damit kennzeichneten wir die Aufgaben der Hegelischen Philo-
sophie und zugleich ihren Unterschied von Schelling. Wenn wir
aber sagen, daß Hegel die Identitätslehre „logisch“ entwickelt, so ist
hier „logisch“ im Sinne des „Logos“ (als Weltvernunft), nicht im
Sinne der formalen Logik zu verstehen. Es ist also kein gewöhn-
licher Rationalismus, den man Hegel zuschreiben darf, sondern ein
das Konkrete mit all seinen Gegensätzen denkender, ein d i a -
l e k t i s c h e r Rationalismus, besser Überrationalismus, eines on-
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Hegel: Differenz des Fichte’schen und Schelling’schen Systems der Philoso-
phie (1801), Sämtliche Werke, Bd 1, Berlin 1832, S. 164.