[248]
277
in der nach Schelling das Objektive, das im Geiste schläft, aufbricht,
ist auch keine entbehrliche Zutat, kein bloßer Schmuck, sondern
wesenhafter Bestandteil des Lebens. Es war echt r o m a n t i s c h e s
Lehrgut, das Schelling philosophisch begründete. So sagt N o v a l i s
in seinen „Fragmenten“: „Die Poesie ist das absolut Reelle. Dies ist
der Kern meiner Philosophie.“
ε. Naturphilosophie
Die Naturphilosophie wird stets die größte Tat Schellings bleiben.
Der tiefste Gedanke seiner Naturphilosophie: daß das im Menschen
als Ich zum Bewußtsein kommende Geistige durch die ganze Schöp-
fung hindurchgegangen sei — wird infolge der empiristischen Ver-
flachung unserer heutigen Bildung nicht verstanden. Aber er wird
durch keine noch so erfolgreiche mechanisch-mathematische Natur-
wissenschaft widerlegt! — Die Durchführung dieses Gedankens al-
lerdings bei Schelling war allzu kühn und unzulänglich, der Gedanke
selbst wird ewig bleiben, wie er denn auch den ältesten Philosophien
eigen war und uns schon von A n a x a g o r a s (um 500 v. Chr.)
berichtet wird, daß er den Geist in der Natur suchte und P l a t o n
den Geist als den König der Welt feierte.
Gegenüber der Gewißheit, daß die Natur nicht als etwas Totes,
Mechanisches anzusehen sei, bleibt die mathematisch-mechanische
Physik unseres Erachtens nichts anderes als eine verfahrenmäßige
Unterstellung, die zwar große praktische Erfolge erzielt, aber nicht
das Wesen der Natur erfaßt. Ein Mangel der Schellingischen Natur-
lehre war es, daß sie nicht zu einer klaren Verfahrenlehre der Na-
turwissenschaft vorzudringen vermochte (denn die Dialektik reichte
nicht hin). Trotzdem befruchtete sie die Naturforschung ihrer Zeit
reich und lenkte die Aufmerksamkeit auf Gestalt, Individualität,
Vergleichung und auf Grenzerscheinungen (tierischen Magnetismus,
vorbewußtes Seelenleben und ähnliches).
Auch muß man feststellen, daß der Satz, die Natur sei Geist, nicht so einfach
behandelt werden könne, als es bei den ersten Versuchen geschah. Schelling selbst
sagt zwar nur: die Natur ist eine Vorstufe des Geistes. Aber auch da ist die ein-
fache, ableitend-entwerfende Behandlung im Stile der Wissenschaftslehre und mit
den Mitteln der Dialektik unzulänglich. Jedenfalls ging Schelling darin zu äußerlich
vor und wurde durch die dialektischen Entgegensetzungen gewaltsam. Das bot der
Plattheit willkommene Vorwände und tut es bis heute.
Der richtige Weg ist unseres Erachtens die Ausbildung einer ganzheitlichen