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Geist, reine Tat, actus purus, schlechthin, muß sich selbst beschrän-
ken, dialektisch bestimmen, und zwar in Fichtes Anfangslehre durch
das subjektive Ich zum Nicht-Ich; bei Schelling und Hegel ontolo-
gisch durch das in Natur und Geist sich setzende Absolute. /
Einer besonderen Erläuterung bedarf noch das Verhältnis der Aristotelischen
zur neuidealistischen Fassung der Lehre. Hier ist die grundsätzliche Gleichheit von
A r i s t o t e l e s ’ „ D e n k e n d e s D e n k e n s “ u n d F i c h t e s , S c h e l -
l i n g s ,
H e g e l s
„ S e l b s t d i f f e r e n z i e r u n g
d e s
A b s o l u t e n “
nachzuweisen. Der sowohl Aristoteles wie Fichte, Schelling und Hegel gemeinsame
Gedanke ist, wie schon bemerkt: Gott als die sich denkende Vernunft, in deren
Selbstanschauung die Welt ihre Grundlage hat (ohne Pantheismus).
Diesen großen und kühnen Grundgedanken hat der deutsche Idealismus unab-
hängig von Aristoteles begründet. Der Unterschied liegt aber darin, daß Aristoteles
es beim Aussprechen des Grundgedankens bewenden ließ, wenigsten soweit uns
seine Lehre erhalten ist, während Fichte, Schelling, Hegel ihn durchzuführen su-
chen, allerdings mit anderen Begriffsmitteln.
Dasselbe, was bei Aristoteles als Denken des Denkens bestimmt wird, wird bei
Fichte, Schelling, Hegel als Fortgang dialektischer Setzungen im einzelnen darge-
stellt, also (1) aus den rein formalen Gegensätzen der Dialektik, (2) als Subjekt-
Objektivierung, das heißt wieder (3) das Sichdenken des Ich ist zugleich sein Sein.
Das I c h , d a s r e i n e D e n k e n f i n d e t i n a l l e m S e i n n u r s i c h
s e l b s t . Der Gedanke ist das Absolute. Das reine Selbstbewußtsein ist zugleich
reine Form und zugleich absoluter Inhalt der Philosophie.
ε.
Die Einerleiheit von Denken und Sein, Subjekt und Objekt
Der Gedanke, daß das Verschiedene, jetzt miteinander nicht Ver-
einbare, sondern Gegensätzliche, nämlich Denken und Sein, Subjekt
und Objekt, in einer tieferen Schichte vereinbar und demnach einer-
lei (identisch) oder „indifferent“ sein muß, dieser Gedanke ist kein
alleiniges Lehrgut Schellings, der ihn in seiner „Identitäts-“ und
„Indifferenzlehre“ in der neuesten Zeit so scharf entwickelte
1
,
sondern mehr oder weniger stillschweigend allen idealistischen Lehr-
gebäuden gemein, allerdings in verschiedenen Fassungen.
Bei Platon, Aristoteles, den Neuplatonikern versteht es sich von
selbst, daß Gott „jenseits“ der Gegensätze, also deren Einheit ist;
jedoch besteht darüber eine entwickelte Lehre nicht. — Meister
Eckehart lehrt den Seelengrund als das, worin Wille und Verstand
eins sind
2
. — Nicolaus von Kues, ein Schüler Eckeharts, prägt
den Begriff des „Zusammenfallens der Gegensätze“, der „coinci-
1
Siehe oben S. 269 ff.
2
Siehe unten S. 365.