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s t i g e S c h a u a l s G r u n d l a g e d e s z e r l e g e n d e n
u n d v e r a r b e i t e n d e n B e g r i f f e s“. Diese Feststellung
bestimmt die Aufgabe seines Werkes dahingehend noch genauer, als der
Titel und Untertitel des Buches es anzeigen, daß Spann näm-
lich zugleich eine ganz neuartige Einführung in die Philosophie im
Auge hat, die bisher auf dieser methodologischen Ebene kaum ein-
mal versucht worden ist. Es genügt ihm nicht, in die Grundbegriffe
und Problemaspekte der einzelnen Lehren und Systeme einzufüh-
ren, sondern viel wichtiger und ursprünglicher sind ihm dabei die
G r u n d e r l e b n i s s e ,
die
irrationalen
E i n g e b u n g s -
g r ü n d e der verschiedenen Philosophien und philosophischen
Standpunkte. Erst die Unterscheidung dieser Grunderlebnisse an
der Urquelle der geistigen Weltbegegnung macht es möglich, so-
wohl manche urgründige Berührungspunkte einzelner anscheinend
entgegengesetzter Lehren zu erkennen wie auch daraus den ge-
schichtlichen Wechsel der Systeme zu verstehen.
Es ist in Untersuchungen zum Wesen des philosophischen Den-
kens und über seine Ursprünge zwar nicht selten die Rede davon
gewesen, daß Intuition und verschiedenartig aufleuchtende irratio-
nale Erkenntnisse jeder begrifflichen Präzisierung, jedem System-
bau vorausgehen. Kein Theoretiker, kein Metaphysiker des Philo-
sophierens ist jedoch über diese allgemeinen Hinweise auf die intui-
tive Vorstufe hinausgekommen oder innerhalb dieses Urbereiches
irgendwie differenzierend vorgegangen. Es ist deshalb als e i n e
d e r w i c h t i g s t e n L e i s t u n g e n i m G e s a m t w e r k
O t h m a r S p a n n s z u w e r t e n , in diesen Bereich ursprüng-
licher Eingebung vorgestoßen zu sein. Wäre er dabei nur bei ab-
strakten Meditationen innerhalb der Verschlossenheit dieses Berei-
ches geblieben, so hätte er sich in jenen oft versuchten Spekulationen
verloren, die man bestenfalls als eine Phänomenologie der letzten
Tiefen menschlicher Existenz hätte werten können, ohne daß daraus
brauchbare Aussagen zur näheren Bestimmung des vorbegrifflich
denkenden und schauenden Subjektes zu entnehmen wären. Ent-
scheidend für die Betrachtungsweise Spanns ist gerade die Konkre-
tisierung der verschiedenen Ausrichtungen zur Welt dieses Subjek-
tes. Es geht um erste unmittelbare Erkenntnisse aus dem Erleben
heraus, um die Hinwendung zur Welt auf je eine bestimmte Sicht-
weise und um die elementaren Träger der Unmittelbarkeit.
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