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Nachdem vorher einmal ausdrücklich festgestellt wurde, daß
Spann zu den wenigen Philosophen gehört, die es unternehmen, die
vorbegrifflichen, irrational-erlebnishaft erfaßbaren Gründe allen
Philosophierens zu beleuchten und feststellbare Grundtypen zu be-
schreiben, dürfte es nunmehr verständlich erscheinen, welche Aus-
weitung diese seine Lehre erfahren würde und wieviel fruchtbarer
die Untersuchung der klassischen Begriffsgebäude auf der Basis
der nach (1.) und (2.) e r w e i t e r t e n G r u n d b e r e i c h e
werden könnte. Die Dürftigkeit der Sprache bei differenzierten
Betrachtungen, gerade im Bereich der Erlebnissphäre, dürfte wohl
mit ein Grund dafür sein, daß Spann sich mit seinem Denken zwar
oft um die Berührungspunkte der besagten drei Grundbereiche be-
wegt, jedoch niemals eine nähere Untersuchung von deren Bezie-
hungen und der eventuell größeren Mannigfaltigkeit von Grund-
formen in diesen Bereichen vorgenommen hatte.
Damit ist nun der Weg aufgezeigt, auf dem e i n e V e r t i e -
f u n g d e r G r u n d l a g e n u n d e i n e a u f b a u e n d e
F o r t s e t z u n g d e s G e s a m t w e r k e s S p a n n s gewähr-
leistet werden könnten. Ob sich dabei tatsächlich die Erlebnisgrund-
formen, die im „Philosophenspiegel" eine vorläufige, mehr metho-
dische Ausarbeitung und Anwendung gefunden haben, als die
eigentlichen Ausgangspunkte erweisen werden, oder ob es zu einer
Verschiebung auf Grundstrukturen elementarer Ganzheitserkennt-
nisse kommen wird — bei weiterer Vertiefung wohl auch auf die
mystischen Fundamente des Erlebnisbereiches —, darüber wird erst
eine fortgeschrittene Aufbauarbeit im oben gesagten Sinne Aus-
kunft geben können.
Im folgenden soll anhand weniger Beispiele aus den genannten
drei mittleren Hauptteilen des Werkes gezeigt werden, an welchen
Stellen von Spanns Betrachtungen und aus Anlaß welcher etwas
voreilig durchgeführten Analysen mit vertiefender Aufbauarbeit
eingesetzt werden könnte. Das Prädikat voreilig bezieht sich nur
auf die überbetonte Zielsetzung, über die Erlebnisformen hinaus
streng systematisch vorzugehen und die bekannten, von Spann
stets als abgeschlossene „-Ismen“ bezeichneten klassischen Begriffs-
gebäude als feststehende, etwa genau abgrenzbare Lehren innerhalb
eines Gesamtsystems der Philosophie zu orten. Während die moder-
ne Philosophie in der Regel von einer solchen Gleichförmigkeit