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mystischen Bereiches wird dadurch noch eigens unterstrichen, in-
dem er von der Religion distanziert wird. Es gibt nur V e r -
b i n d u n g e n v o n R e l i g i o n u n d m y s t i s c h e n L e h -
r e n . „Andere Ausprägungen und Richtungen der Mystik sind
bestimmt durch ihre verschiedene Stellung zur Tätigkeit in der
Welt.“ Schließlich kommt Spann zu der Feststellung, daß alle diese
historischen und praktischen Verschiedenheiten „keine grundlegen-
den sind und die Einheit der Mystik aller Zeiten nicht zerstören“
1
.
Damit ist „die Einheit des Tiefsten des menschlichen Geistes mit
Gott“ gemeint und zwar mit dem Gott des mystischen Denkens,
n i c h t m i t e i n e m G o t t e s b i l d , das aus der Verbin-
dung von Mystik und Religion entstünde.
Der gleichzeitige Gedanke einer begrifflichen Einheit, einer phi-
losophischen Autonomie des Bereiches aller Mystik trotz ihrer ver-
schiedentlich eingeengten Formen scheint bei Spann in den zwei
Dezennien seit dem Erscheinen des „Philosophenspiegels“ im Jahre
1933 eine weitere Entwicklung durchgemacht zu haben, von der
er in der zweiten Auflage kaum etwas erwähnt. Im selben Jahr,
mit dem die Beendigung der zweiten Auflage datiert ist, veröffent-
lichte er einen Aufsatz über „Meister Eckeharts mystische Erkennt-
nislehre“
2
. Darin kommt die Gleichstellung der Mystik als die
eines
dritten
philosophischen
Grundbereiches
außergewöhnlich
deutlich zur Geltung: „Der Geschichtsschreiber der Mystik muß die
Ansicht, es gebe im wesentlichen nur zwei große erkenntnistheo-
retische Lager, das sensualistisch-empiristische... und das apriori-
stisch-idealistische ... erweitern: Es gibt überdies e i n e m y s t i -
s c h e E r k e n n t n i s t h e o r i e ! “ Diese „ist dadurch gekenn-
zeichnet, daß sie, indem sie das idealistische Lehrgut übernimmt,
darüber hinaus noch eine höhere, letzte Quelle aller Erkenntnis an-
nimmt: die innere, mystische Erfahrung...“ Spann gibt gleich
auch die Erklärung dafür, warum die mystischen Erkenntnislehren
der bekannten geschichtlichen Formen am wenigsten ausgebildet
sind: „… einfach deshalb, weil die großen Mystiker solchen Be-
griffen ihre Aufmerksamkeit nicht besonders zuwenden und ihr
1
Siehe oben S. 368.
2
Vgl. Zeitschrift für philosophische Forschung, Bd 3, Wurzach (Württem-
berg) 1948, S. 339 ff.
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