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und Erkennen sowohl die mystische Tiefe der Selbsterkenntnis
des Geistes wie auch die Einheit letzter ganzheitlicher Gestalten
im Denken und Sein rechnet, — diese Tatsache der unmittelbaren
Hinnahme des Letzten ist gelegentlich dahingehend gedeutet wor-
den, als wäre Spanns Werk — oder zumindest seine Ganzheitslehre
— durch und durch als eine „Philosophie des Glaubens“ zu ver-
stehen
1
. Mag es an vielen vereinzelten Äußerungen Spanns liegen,
wenn es um das Letzte allen philosophischen und wissenschaftli-
chen Erkennens geht, um das Letzte in der mystischen Tiefe oder
um das Letzte des kategorial-logischen Denkens, so wie es nur von
der Ganzheit der jeweiligen Gestalten her angeschaut und unmittel-
bar verstanden werden kann. Sofern sich diese unmittelbare Hin-
nahme des Letzten in m a n c h e n G r e n z f ä l l e n mit der
glaubensmäßigen Hinnahmefähigkeit im mystischen und religiösen
Schauen vielleicht äußerlich deckt, so kann Spann damit nur den-
selben
G l a u b e n
a l s
H i n n a h m e b e r e i t s c h a f t
ge-
meint haben, der auch an den Anfängen jeder noch so exakt vor-
gehenden Wissenschaft steht, solange ihre Grundlagen sich vor je-
dem logischen Denken unmittelbar aufdrängen und stillschweigend
oder postulatorisch nur (eben gläubig) hingenommen werden. Nie-
mals kann Spann den Glauben in einer umfassenden Weise der Phi-
losophie übergeordnet haben. Dafür spricht die Tatsache, daß er in
jeder Betrachtung nur gelegentlich beim Letzten und bei dessen
Hinnahme verbleibt, während die Fragen nach der Einheit der
Philosophie oder eines einzelnen Systems, die Frage der Zergliede-
rung und des Aufbaus, um zu verfolgen, „wie das Ganze aus den
Gliedern geboren wird“, stets den Hauptinhalt seines Philosophie-
rens bildet.
Der Aufbau des „Philosophenspiegels“ mit seiner vielfältigen
Struktur dürfte im gegebenen Zusammenhang den besten Beweis
dafür liefern, daß Spanns Philosophieren sich zwar stets der Irra-
tionalität aller Ausgangsgründe und des Glaubens zu ihrer Hin-
nahme bewußt ist, daß seine eigentliche philosophische Leistung
jedoch in dem unermüdlichen inneren Ausbau des Ganzen der
Philosophie besteht, um deren übergeordnete Einheit zugleich aus
1
Vgl. etwa die Rezension von Dekan Dr. Schneider zu dem Buch von Hans
Riehl: Othmar Spann, Das philosophische Gesamtwerk im Auszug, Wien 1950,
in: Amt und Gemeinde, Jg 4, Folge 2, Wien 1950.