Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6242 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6242 / 9133 Next Page
Page Background

88

[96/97/98]

wir bei Andacht und Ge- / zweiung von Eingebung im engeren

Sinne nicht sprechen können, sondern sie auf Wissenschaft und

Kunst beschränken müssen. Der Grund liegt darin, daß das Un-

mittelbare von Andacht und Gezweiung nicht in sich selbst ver-

arbeitet werden kann

1

. Deshalb kann es auch nicht als Eingebung

gesondert hervortreten. Nur j e n e s U n m i t t e l b a r e , d a s

z u s e i n e r e i g e n e n V e r m i t t l u n g o d e r V e r a r b e i -

t u n g i n G e g e n s a t z z u t r e t e n v e r m a g , k o m m t

a l s E i n g e b u n g i m e n g e r e n S i n n e z u r E r s c h e i -

n u n g . Erst durch diese Entgegensetzung des Unmittelbaren und

des Mittelbaren scheiden sich Eingebung und Verarbeitung (Zer-

legung). Dieses Durchführende, Verarbeitende, Diskursive tritt

nur im begrifflichen Denken und im fortgliedernden Gestalten

selbständig zutage, nicht auch in Glauben und Gezweiung. Von der

Verarbeitung hebt sich daher die Eingebung als selbständiger Hin-

tergrund ab.

Dadurch erst, daß das Kunstwerk die Eingebung am Grunde hat,

durch welche die übersinnliche Idee hindurchschimmert, wird die

Einheit von Gehalt und Gestalt (Inhalt und Form) zur Schönheit

im wahren Sinne dieses Wortes. Kein Kunstwerk, das nicht den

leisen Schauer metaphysischen Bewußtseins erweckt, ist wahrhaft

schön zu nennen. Dagegen ist das bloß Vergnügliche, das sinnlich

Reizende, das Angenehme durch einen Abgrund von der Schönheit

entfernt. Weil Schönheit darauf beruht, daß der Künstler den inne-

ren Grund des Dinges in der Eingebung selbst erzeugte, so bedarf sie

des wirklichen Dinges nicht. Das Angenehme, sinnlich Reizende,

das Nützliche beruht dagegen auf der Verbundenheit des Geistes

mit den äußeren Dingen, auf Wirken nach äußeren Zwecken

2

.

Indem die Tat des künstlerischen Bewußtseins ähnlich wie jene

des erkennenden Bewußtseins an die Gezweiung geknüpft ist, sind

von Anbeginn alle Brücken zur G e s e l l s c h a f t l i c h k e i t /

d e r K u n s t geschlagen, ist insbesondere auch der Zusammen-

hang zwischen Kunststil und Lebensordnung gegeben

3

.

1

Siehe oben S. 25 und 45 f.

2

Vgl. über diese und ähnliche Fragen: Gesellschaftslehre, 3. Aufl., Leip-

zig 1930, S. 294 ff. und 304 ff.

3

Vgl. Gesellschaftslehre, 3. Aufl., Leipzig 1930, S. 299 ff. und 307 ff.