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Zur Ergänzung vergleiche unten über die Erweiterung der Erscheinungslehre
zur Lehre von den Vollkommenheits- und Unvollkommenheitsformen.
Uber das
Gedächtnis,
das nicht nur in der Wiederherstellung des Wissens,
sondern auch aller anderen Bewußtseinsstufen besteht und Einheitserscheinung
des Geistes ist, vergleiche unten
1
.
B.
Das g e s t a l t e n d e B e w u ß t s e i n o d e r d i e K u n s t
Die Poesie ist das absolut Reelle. Dies ist der Kern meiner
Philosophie. Je poetischer, je wahrer. (Novalis: Fragmente)
Die zweite Form des auf Eingebung beruhenden Bewußtseins ist
die Gestaltung oder Kunst.
In der Kunst liegt insofern der gleiche grundsätzliche Sachver-
halt wie in der Erkenntnis vor, als jedes Kunstwerk auf einer Ein-
gebung, Annahme und Verarbeitung beruht. Schon / Platon sagt,
„daß die Dichter nicht aus Weisheit... sondern aus einem gewissen
Naturdrange und aus Begeisterung heraus dichten, etwa wie die
Wahrsager und Orakelsänger .. .“
2
. Blake wurden seine mystischen
Gedichte von höheren Stimmen eingeflüstert. Der Maler Ludwig
Richter erzählt: „Da ich das Buch weglegte, stand auf einmal meine
Konzeption, an die ich im Ernst nicht gedacht hatte, fix und fertig,
wie lebendig in Form und Farbe vor mir, daß ich ganz entzückt
darüber noch schnell zur Kohle griff und die ganze Anordnung auf
den Karton brachte
3
.“ Ähnliches empfindet jeder Künstler, emp-
findet auch der Kunstgenießer, der zur Eingebung vordringt. „Wer
das Bildnis des Zeus von Phidias gesehen hat, kann nie wieder ganz
unglücklich werden“, sagten die Alten.
Den Unterschied zwischen der Blitzesschnelle der Eingebung und
der Länge der Verarbeitung, der in der Kunst ein ähnlicher ist wie
in der Wissenschaft, hat William Blake in folgenden Worten (nach
Milton) kräftig ausgedrückt:
1
Siehe unten S. 155 ff.
2
Platon: Apologie, 22c.
3
Angeführt bei Joseph Fröbes: Lehrbuch der experimentellen Psychologie,
Bd 2, 3. Aufl., Freiburg 1929, S. 220.